Inmitten der Unendlichkeit
Papier. Ja, ich bin wütend. Aber ich will, daß du verstehst weshalb. Ich bin nicht wütend, weil du dich nicht mit mir abgesprochen hast. Ich bin in erster Linie deshalb wütend, weil du unserer Partnerschaft nicht genügend vertraut hast.«
Eine Weile überlegte Korie, ob er das Angebot des Admirals doch noch ablehnen sollte. Er brütete über seinem Egoismus und dem schrecklichen Schmerz, den er seiner Frau zugefügt hatte. Die folgenden Tage fühlte er sich alles andere als behaglich.
Er war sich nicht sicher, ob sie sich wieder versöhnt hatten, noch, ob die Angelegenheit wirklich bereinigt war – oder ob sie noch immer daran arbeiten müßten, die Lücke zu überbrücken, die sich plötzlich zwischen ihnen aufgetan hatte.
Ein paar Tage später gingen sie gemeinsam zur Aufzuchtstation, um ihren sich entwickelnden Fötus zu besuchen. Zuerst war Korie von Ehrfurcht ergriffen, als er die Zerbrechlichkeit der kleinen rosigen Kreatur in der Nährlösung betrachtete und über die winzigen Finger staunte, aber dann, als er den Kopf hin und her bewegte und sich vorzustellen versuchte, wie das Kind einmal aussehen würde, da kam ihm plötzlich die Ähnlichkeit mit den Proteinklumpen in den Fleischtanks der Farm in den Sinn. Er wich bestürzt und entsetzt zurück – wo war der Funke, der aus Proteinklumpen bewußte Lebewesen machte? Was machte letztendlich menschliches Leben aus?
Ungebeten erschien die Antwort in seinen Gedanken. Ihm war, als stünde Zaffron hinter ihm und flüsterte: »Jawohl, Jon Korie. Genau das ist es. Mehr ist auch ein Mensch nicht. Leben ist nur, was man selbst daraus macht.«
Plötzlich fühlte Korie sich schwach.
Er blickte zu Carol. Sie hatte ihr Gesicht an das warme Glas des Nährtanks gelegt und stand mit geschlossenen Augen und glückseligem Lächeln da. Sie schien irgendwo weit weg zu sein.
Ohne seine Frau zu stören, setzte sich Korie auf eine Bank und begann, leise zu weinen. Nach einigen Augenblicken bemerkte Carol es, aber sie wußte nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Sie hatte ihren Mann noch niemals vorher in diesem Zustand gesehen.
»Was ist los, Jon?« fragte sie besorgt.
Er hob den Blick. Tränen rannen über seine Wangen, während er antwortete: »Er ist so wundervoll. Genau wie du. Genau wie wir alle. Ist es nicht faszinierend, daß so kleine rosige Klumpen zu so wunderbaren Wesen wie Menschen werden können – bewußten Wesen, die fähig sind, zu denken und sich umeinander zu kümmern und zu teilen und einander zu lieben? Es macht mir angst, Carol, weil ich jetzt sehe, daß dies uns auch die Fähigkeit gibt, uns gegenseitig so tief zu verletzen – und verletzt zu werden.«
Carol Jane bewegte sich nicht. Sie stand noch immer neben dem Bruttank, in dem ihr Baby schwebte. Zuerst wußte sie nicht, wie sie auf Kories Worte reagieren sollte – die Veränderung in ihrem Mann rührte sie zutiefst, aber ihr fehlten die Worte, um ihre Emotionen angemessen auszudrücken. Dann wandte sie sich wieder dem Embryo zu, klopfte zärtlich gegen die Scheibe und flüsterte: »Timmy, sieh nur. Dein Papa wird ein Raumschiffkapitän. Er wird der beste aller Raumschiffkapitäne werden. Bist du nicht stolz auf ihn?«
In diesem Augenblick erkannte Korie, daß sie ihm wirklich verziehen hatte. Er stand auf und trat zu ihr hin. Seine Augen waren noch immer feucht, als er sie in die Arme schloß. Ohne ein Wort zu sagen, hielt er sie lange umschlungen, aber schließlich schob er sie sanft von sich und blickte ihr in die Augen. Dann sagte er leise: »Ich glaube, ich habe soeben die allerwichtigste Lektion gelernt, die der Kapitän eines Raumschiffes wissen muß.«
»Und wie lautet sie?« fragte Carol.
»Ich bin nicht mehr allein. Andere Menschen verlassen sich jetzt auf mich. Das werde ich niemals vergessen. Niemals.«
Sie blickte in seine Augen und erkannte, wie ernst es ihm mit seinen Worten war. Und in diesem Augenblick wurde ihr bewußt, wie sehr sie ihn wirklich brauchte.
Träume
Korie schreckte aus dem Schlaf. Er hatte schon wieder diesen Traum gehabt. Diesen Traum, in dem er nach Hause kam. Nur, daß niemand da war. Der Traum war immer der gleiche, nur die Einzelheiten änderten sich. Er ging von Zimmer zu Zimmer und suchte nach Carol und Timmy und Robby. Diesmal hatte er sie beinahe wiedergehabt. Dieses Mal hätte er sie beinahe gefunden. Beinahe.
Dann wurde ihm bewußt, wo er sich befand, und Schmerz stieg in seinen Hals und strömte aus seinen Augen. Er sank in
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