Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
Vom Netzwerk:
Spürnase …«
    »Alles Quatsch«, konterte ich trocken. »Viel Lärm um nichts.«
    »Zwei aufgeklärte Morde, eine schwere Körperverletzung mit Todesfolge, ein vermisstes Mädchen«, zählte er auf.
    Ich verzichtete auf einen Kommentar.
    »Es hat mich überrascht, dich auf Kurts Beerdigung zu sehen.«
    Dito, mein Lieber. Und so intim mit der Tochter. »Du hast dich nach dem Abi auch nicht gerade um den Zusammenhalt der alten Clique bemüht, habe ich gehört.«
    »Stimmt.« Leises Lachen. »Aber mit Kurt hatte ich weiterhin Kontakt. Nicht richtig eng, aber er kam immer zu mir, wenn er Probleme hatte. Vor allem in den ersten Jahren, nachdem seine Frau ihn verlassen hatte. War alles ein bisschen zu viel für ihn. Manchmal habe ich ihm Bettina abgenommen. Ich war mit ihr Tretboot fahren, im Zoo oder im Zirkus. Ich kam ganz gut an Freikarten ran.«
    Also eine Art Leih-Onkel.
    »In den letzten zehn Jahren haben wir uns dann auch ein wenig aus den Augen verloren. Bettina kam ab und zu noch bei mir vorbei, hat mich ein paarmal auch in Hamburg besucht, aber mit Kurt lief es irgendwie nicht mehr so. Ich war nicht bös drum, er ging mir zunehmend auf die Nerven.«
    »Warum?«, fragte ich.
    »Weil sich einfach nichts änderte bei ihm. Man konnte sich den Mund fusselig reden, aber er hat nie dazugelernt. Immer die gleichen Probleme, immer die gleichen Enttäuschungen. Als ich umgezogen bin, war die Luft dann endgültig raus.«
    »Hm«, brummte ich zustimmend. »Und dann?«
    »Kurt hat sich vor einiger Zeit bei mir gemeldet. Er wollte mich wegen einer wichtigen Angelegenheit sprechen. Ich dachte, das würde dich interessieren. Können wir uns sehen?«
    Ich unterdrückte mühsam das Räuspern, das mir in der plötzlich seltsam trockenen Kehle saß. »Wann?«, fragte ich. Und räusperte mich doch noch.
    »Spricht was gegen jetzt gleich?«
    »Jetzt sofort?« Ich suchte flüchtig nach Ausreden. Dann musste ich lachen. »Nichts spricht dagegen. Kommt nur ein bisschen plötzlich.«
    Wir verabredeten uns in einer mir unbekannten Kneipe am Dellplatz.
    * * *
    Ich fand eine Parklücke in der Realschulstraße und ging zu Fuß zum Dellplatz. Das Dellviertel hatte sich gemausert seit meiner Schulzeit. Es schien eine Art Szeneviertel geworden zu sein, denn rund um den Platz tummelten sich Kneipen, Cafés und Restaurants, von denen es die meisten früher nicht gegeben hatte. Lediglich das Filmforum und eine Pizzeria kamen mir noch bekannt vor. Hübsch war es hier, und ich konnte mir vorstellen, dass im Sommer ein reges Leben auf dem Platz herrschte, denn mit Sicherheit hatten die meisten Lokale in der Saison auch draußen ein paar Tische stehen.
    Das »Webster« war ein gemütliches Brauhaus, das jetzt um die Mittagszeit nur mäßig besucht war. Ich betrat es mit gemischten Gefühlen und entdeckte ihn augenblicklich auf einem der Barhocker an der Theke. Himmel, Arsch und Zwirn, dachte ich, straffte mich innerlich und gesellte mich zu ihm.
    »Hi Toni.« Volker schob seine Hand wie selbstverständlich unter meine halblangen, asymmetrisch gestuften Haare und fuhr mit gespreizten Fingern hindurch, leicht gegen den Strich. So wie früher. Die feinen Härchen in meinem Nacken richteten sich auf unter der Berührung. Sofort zog er die Hand zurück. Als habe er eine Grenze überschritten, die er lieber doch nicht übertreten wollte. Wie früher.
    »Hallo, Volker.« Ich ärgerte mich, dass mein Herz so heftig schlug. Drehte mich abrupt ab und wollte einen Barhocker heranziehen.
    »Lass uns dort an den Fenstertisch gehen, da können wir ungestört reden.« Volkers Tonfall ließ keinen Widerspruch zu.
    Ich klaubte also meinen Rucksack vom Boden auf und folgte ihm zu dem kleinen Tisch unter dem Fenster. Gehorsam irgendwie, dachte ich und spürte eine leise Wut in mir aufsteigen.
    »Habt ihr Milchkaffee?«, rief ich mit ungewohnt lauter Stimme zum Wirt hinüber. Nur so zum Trotz. Um lässig zu wirken?
    Er nickte bestätigend.
    »Dann Milchkaffee und ein Wasser bitte.« Damit setzte ich mich.
    Volker betrachtete mich schweigend.
    Ich musterte zurück. Ebenfalls schweigend.
    »Gut siehst du aus, Toni.«
    Unwirsch schüttelte ich den Kopf. Das war zu viel. Zu viel nach dieser intimen Geste. Zu viel bei diesem Blick.
    »Lass das«, raunzte ich ihn an und gab so der Wut einen Kanal.
    »Okay, ich lasse es. Aber es stimmt«, sagte er, leise zwar, aber mit diesem leicht spöttischen Unterton in der Stimme, der mich schon früher so kirre gemacht hatte. Ich

Weitere Kostenlose Bücher