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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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hatte nie gewusst, wann er etwas ernst meinte und wann nicht. Ein Hauch von Blues hing plötzlich in seinen Augen, eine leise Melancholie. Und ich merkte, dass es ihm gar nicht am Arsch vorbeiging. Es? Die Situation? Nein. Nicht die Situation und auch nicht  es . Ich. Ich ging ihm nicht am Arsch vorbei. Trotz der Ironie in seiner Stimme. So war es früher vermutlich auch gewesen. Nur dass ich damals zu jung gewesen war, das zu erkennen.
    »Du wolltest mir was erzählen«, lenkte ich ihn auf das Thema, wegen dem ich eigentlich gekommen war. »Du hast gesagt, dass Kurt kurz vor seinem Tod mit dir geredet hat.«
    »Ja«, bestätigte Volker. Er nahm einen Schluck Bier und wischte sich beiläufig den Schaum von der Oberlippe. Die Geste hatte etwas verdammt Sinnliches. Er schien meinen Blick falsch zu deuten. »Alkoholfrei«, beeilte er sich zu sagen. »Ich weiß nicht, ob du davon gehört hast, aber ich mache Reportagen. Beruflich, meine ich.«
    Neugierig sah ich ihn an. Das hatte ich tatsächlich nicht gewusst.
    »Ich arbeite als freier Redakteur, das heißt, ich bin nicht fest angestellt. Wenn ich eine interessante Story habe, biete ich sie den einschlägigen Blättern an. Wochenmagazinen, Tageszeitschriften. Manchmal bekomme ich auch Auftragsarbeiten.«
    »Und das funktioniert?«, fragte ich überrascht. »Ich meine, davon kann man leben?«
    »Ja, es funktioniert. Und ja. Ich kann davon leben. Ganz gut sogar. Allerdings auch nur, weil ich schon lange im Geschäft bin. Ein Neueinsteiger hat da heute kaum eine Chance, es sei denn, er hätte Beziehungen.«
    »Das berühmte Vitamin B«, sagte ich sarkastisch. »Ohne das ist es heutzutage ja schon schwer, überhaupt nur ein Vorstellungsgespräch zu bekommen. Und da rümpft man die Nase über die italienische Vetternwirtschaft.«
    Volker lachte. Dabei warf er den Kopf leicht in den Nacken und ließ seine Zähne blitzen. Genau so wie früher. Nur dass da heute Gold zu sehen war, viel Gold anstelle von weißem Zahnschmelz.
    »Ich erzähle das auch nur, weil Kurt deswegen wieder Kontakt zu mir aufgenommen hat. Wegen meinem Beruf, meine ich. Das ist jetzt vier Wochen her. Er rief mich in Hamburg an und sagte, er hätte vielleicht eine heiße Story für mich. Ob ich interessiert wäre.«
    »Und? Warst du interessiert?« Ich nippte an meinem Milchkaffee.
    »Ich war vorsichtig«, sagte Volker langsam. »Vermutlich zu vorsichtig. Kurt ließ durchblicken, er sei einer großen Geschichte auf der Spur. Und ich Depp hab gesagt, die Sache müsse gut belegt sein und er müsse verwertbare Fakten haben, dann könnten wir uns gerne treffen. Für blanke Vermutungen sei mir meine Zeit zu schade.«
    »Worum ging es denn?«, drängelte ich.
    »Um eine Sauerei im Rahmen der Strukturmaßnahmen am Duisburger Innenhafen. Mehr hat er nicht gesagt. Ich habe ihn ja auch gleich abgewürgt.«
    Ich pfiff leise durch die Zähne. »Und?«
    »Nichts weiter. Er sagte, er würde sich wieder melden und mir Beweise bringen, und legte auf. Nun, vier Wochen später, ist er tot.«
    »Hm.« Nachdenklich sah ich ihn an. »Klingt nicht unbedingt nach Zufall.«
    »Nein, finde ich auch. Klingt schwer danach, als sei an seiner Geschichte was dran gewesen.«
    »Was meint denn die Polizei dazu?«
    »Komm mir bloß nicht mit denen.« Volker wedelte abwehrend mit den Händen.
    »Oho.« Spöttisch hob ich eine Augenbraue. »Höre ich da so was wie Angst heraus?«
    »Nicht Angst. Zorn trifft es besser.« Volker lachte unbefangen. »Nein, jetzt mal im Ernst. Das letzte Mal, als ich freiwillig zu den Bullen gegangen bin, erlebte ich ein Fiasko.«
    »Wieso das denn? Hattest du was ausgefressen?«, fragte ich mit neckendem Unterton.
    »Ich? Gar nichts. Ich habe bloß für einen Artikel über Korruption im Rahmen einer Kartellbildung recherchiert. Dabei bin ich über einen hohen Herrn in der Politik gestolpert und mit meinem Wissen beim LKAaufgeschlagen.«
    »Und?«
    »Zwei Tage später hatte ich eine einstweilige Verfügung am Hals. Die Reportage durfte nicht erscheinen. Irgendjemand muss gepetzt haben.«
    »Jemand vom LKA?«
    »Von was denn sonst? Andere waren nicht eingeweiht.«
    »Hier geht’s doch aber um Mord«, wandte ich ein. »Das ist ja nun ein ganz anderes Thema.«
    »Schon. Aber der Mord ist nur der Endpunkt einer Geschichte, an der Kurt dran war. Und die lasse ich mir dieses Mal nicht versauen.«
    »Hm.« Ich kratzte die Reste des Milchschaums aus meiner Tasse und leckte den Löffel ab. »Was hast du jetzt

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