Inquisitor: Drei Romane in Einem Band. Mit Bonusmaterial: "Die Innere Bestie" [u.a.]. Ian Watson. Mit Einer Einf. Des Autors. [Dt. Übers. Von Walter Brumm Und Christian Jentzsch].

eine Fassade der Normalität zu wahren.
Letzten Endes hoffte die böse Brut, die Stadt durch ihre präsentableren
Abkömmlinge zu beherrschen, später sogar den ganzen Planeten, während weiterhin
so getan wurde, als sei alles ganz normal. Lange vor Erreichen dieses Stadiums
musste das Imperium drastische Maßnahmen ergreifen.
    In der Zwischenzeit war Tarik
Ziz — schlauerweise oder voreilig? — zu dem Schluss gekommen, dass es Spielraum
für ein Experiment gab ...
    Hatte er sich mit dem obersten
Direktor von Callidus beraten?
    Hatte der oberste Direktor
Rücksprache mit dem Großmeister genommen? Und hatte sich der Großmeister an ...
wen gewandt?
    An den Kriegsherrn des Imperiums?
    Ein Werkzeug von Callidus
sollte nicht davon träumen, solche Fragen zu stellen. Noch begriff Meh'lindi
die Hierarchie des Imperiums in ihrer komplexen Gesamtheit. Sie war nur ein
Werkzeug.
    Aber sie war sich bewusst, dass
die schnelle und totale Zerstörung von Symbionten militärische Priorität hatte,
wo immer man sie vorfand.
    »Hier entlang, bitte, fromme
Pilger ...«
    In einer Krypta unter dem
Tempel würde der Symbionten-Patriarch — der Erste der bösen Nichtmenschen, der
ein Opfer verseucht hatte — auf seinem Thron hocken, von seinen Abkömmlingen in
Hybrid- oder quasimenschlicher Form umgeben.
    In der vierten Generation waren
diese Abkömmlinge ihrerseits in der Lage, neue reinrassige Symbionten zu zeugen
oder auszutragen. War dieses Stadium bereits erreicht? Der nominelle Anführer
der Brut, der charismatische, menschlich wirkende Magus, wäre zweifellos ein
Hohepriester des Orienstempels geworden und hätte sich den Anschein gegeben,
auch weiterhin den Imperator der Menschheit zu verehren.
    Durch Symbionten verseuchte
Menschen waren wie hypnotisiert.
    Die menschlich wirkenden
Abkömmlinge achteten Brutbande, so dass sie ihre bestialischen Vettern und
Onkel extrem liebten.
    Würde Meh'lindi in ihrem
veränderten Körper genügend Chamäleon-Einfühlungsvermögen haben, um diese
Brutbande zu täuschen?
    Sie beachtete die heiligen,
löchrigen Hüftknochen des Marines in ihrem Reliquienschein praktisch nicht. In
diesem Augenblick lauerte vielleicht der bestialische, aufgequollene,
gepanzerte und behufte Patriarch unter ihr ...
    Wie in ihr ein Exemplar seiner
Nachkommenschaft lauerte, als habe er sie mit seiner spatelförmigen, Samen
einpflanzenden Zunge tief und innig geküsst ...
    Als sie schließlich das
Teilskelett des angeblichen »Dämons« in dem Kupferkäfig sah, der mit Hexagrammen
und einem blauen Knistern umgeben war — energetisiert, damit kein Dämon wieder
Besitz von dem Skelett ergreifen konnte —, fragte sie sich, ob die gedrungenen
nichtmenschlichen Knochen nicht tatsächlich die eines reinrassigen Symbionten
waren, die der Patriarch zynisch an diesem Ehrenplatz ausgestellt hatte,
während die eigentliche Reliquie irgendwo verstaubte ... Der Rundgang dauerte
zwei Stunden und beinhaltete üppige, verfallene Säle, Sakrarien und geringere
Schreine. Sie sah einige Anzeichen für andauernde Verschönerungs- und
Reparaturarbeiten, doch augenscheinlich wurde der Tempelschatz nicht für den
Imperiumskult vergeudet.
    Die gespendeten und durch den
Verkauf von Reliquien verdienten Schekel würden eine immer größer werdende
Familie von Un-Menschen im Untergrund ernähren.
    Als Meh'lindi und ihre Gruppe
schließlich auf den großen Hof zurückkehrten, stand der Beginn eines
liturgischen Schauspiels bevor.
    »Seht den gesegneten Imperator,
wie Er den Dämon besiegt, den ihr im Tempel sehen könnt!«, rief ein Herold.
    Dämonen und Nichtmenschen waren
Kreaturen sehr unterschiedlicher Art, und Symbionten fielen ganz sicher in die
letztere Kategorie der natürlichen Wesen. Je weniger über die Chaosdämonen
bekannt war, desto besser! Ironischerweise grölte der Herold — der es nicht
besser wusste — etwas Verbotenes, um für den Mummenschanz zu werben, der hier
stattfinden würde ...
    »Einen Schekel pro Kopf, liebe
Pilger, damit wir fortfahren können!«
    Ein skrofulöser Zwerg huschte
hin und her und sammelte Münzen in einem aufgesägten Schädel mit silbernen
Handgriffen, bis er mit dem Umfang des Stapels zufrieden war. Der Herold
klatschte in die Hände.
    Die Illusion eines großen,
prunkvollen, wenn auch melancholischen Thronsaals bildete sich ringsumher, von
verborgenen Holoprojektoren erzeugt. Der Sandboden des Hofs schien nun aus
schachbrettartig angeordneten Marmorfliesen zu bestehen.
    Eine Schar