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INRI

INRI

Titel: INRI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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war aus der Wand gerissen und mit einem Haufen Putz heruntergekommen. Sein Hals hatte noch den ganzen Tag weh getan.
    Der andere Mann kehrte jetzt zurück und brachte noch jemanden mit.
    Das Geräusch ihrer Sandalen auf den Steinen erschien Glogauer sehr laut.
    Er sah zu dem Neuankömmling auf.
    Er war ein Riese und bewegte sich wie eine Katze in dem Dämmerlicht. Seine Augen waren groß, stechend und braun. Seine Haut war gebräunt, und seine stark behaarten Arme waren sehr muskulös. Ein Ziegenfell bedeckte seinen mächtigen Rumpf und reichte bis über seine Oberschenkel herunter. In der rechten Hand hielt er einen dicken Stab. Sein schwarzes, lockiges Haar hing ihm um das Gesicht; seine roten Lippen schauten aus dem buschigen Bart heraus, der den oberen Teil seiner Brust bedeckte.
    Er schien müde zu sein.
    Er lehnte sich auf seinen Stab und sah Glogauer nachdenklich an.
    Glogauer starrte zurück, erstaunt über die spürbare ungeheure körperliche Gegenwärtigkeit des Mannes.
    Als der Neuankömmling sprach, tat er es mit tiefer Stimme, aber für Glogauer zu schnell, um ihn zu verstehen. Er schüttelte den Kopf.
    »Sprich - langsamer…!« sagte er.
    Der große Mann hockte sich neben ihm nieder.
    »Wer bist du?«
    Glogauer zögerte. Es war klar, daß er dem Mann nicht die Wahrheit sagen konnte. Er hatte sich tatsächlich schon eine Geschichte zurechtgelegt, die ihm glaubwürdig erschien, aber er hatte nicht damit gerechnet, daß man ihn so finden würde, und die ursprüngliche Geschichte war jetzt nicht mehr zu brauchen. Er hatte gehofft, unbemerkt zu landen und sich als Reisender aus Syrien auszugeben, daß die örtlichen Dialekte sich genügend voneinander unterscheiden würden, um seine ungenügende Kenntnis der Sprache zu erklären.
    »Woher kommst du?« fragte der Mann geduldig.
    Glogauer antwortete vorsichtig.
    »Ich bin aus dem Norden.«
    »Aus dem Norden? Nicht aus Ägypten?« Er sah Glogauer erwartungsvoll, fast hoffnungsvoll an. Glogauer dachte sich, wenn es sich anhörte, als käme er aus Ägypten, wäre es wohl das beste, dem Mann zuzustimmen, und er fügte seine eigenen Ausschmückungen hinzu, um Komplikationen in der Zukunft aus dem Wege zu gehen.
    »Ich kam vor zwei Jahren aus Ägypten«, sagte er.
    Der große Mann nickte, anscheinend zufrieden. »Du bist also aus Ägypten. Das hatten wir uns gedacht. Und offensichtlich bist du ein Magus, mit deiner merkwürdigen Kleidung und deinem von Geistern gezogenen Wagen aus Eisen. Gut. Dein Name ist Jesus, wurde mir gesagt, und du bist der Nazarener.«
    Offenbar mußte der Mann Glogauers Frage mißverstanden und gedacht haben, er hätte ihm seinen eigenen Namen genannt. Er lächelte und schüttelte den Kopf.
    »Ich suche Jesus, den Nazarener«, sagte er.
    Der Mann schien enttäuscht zu sein. »Was ist dann dein Name?«
    Glogauer hatte auch darüber nachgedacht. Er wußte, daß sein Name den Leuten in der biblischen Zeit zu fremdländisch vorkommen würde, und so hatte er beschlossen, den Vornamen seines Vaters zu benutzen.
    »Ich heiße Immanuel«, sagte er dem Mann.
    »Immanuel…« Er nickte, anscheinend zufrieden. Er strich sich mit der Spitze des kleinen Fingers über die Lippen und starrte nachdenklich zu Boden. »Immanuel… ja…«
    Glogauer wußte nicht, was er davon halten sollte. Ihm schien, daß er mit jemandem verwechselt wurde, den der große Mann erwartet hatte, daß er Antworten gegeben hatte, die den Mann davon überzeugten, daß er, Glogauer, der erwartete Mann sei. Er fragte sich nun, ob es klug gewesen war, diesen Namen zu wählen, denn Immanuel bedeutete im Hebräischen »Gott mit uns« und hatte fast mit Gewißheit eine mystische Bedeutung für seinen Befrager.
    Glogauer begann sich ungemütlich zu fühlen. Es gab Dinge, die er feststellen mußte, Fragen, die er selbst stellen mußte, und seine gegenwärtige Lage gefiel ihm nicht. Bevor er in einer besseren körperlichen Verfassung war, konnte er hier nicht weggehen und konnte sich nicht leisten, seinen Befrager zu verärgern. Wenigstens verhielten sie sich nicht feindlich gegen ihn, dachte er. Aber was erwarteten sie von ihm?
    »Du mußt versuchen, dich auf deine Arbeit zu konzentrieren, Glogauer.«
    »Du bist zu verträumt, Glogauer. Dein Gesicht schwebt ständig in den Wolken. Nun…«
    »Du bleibst nach dem Unterricht hier, Glogauer…«
    »Warum wolltest du ausreißen, Glogauer? Warum fühlst du dich hier nicht wohl?«
    »Du mußt mir wirklich etwas entgegenkommen, wenn

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