INRI
Person. Nach der Zurückweisung eines Schwachsinnigen, der zufällig den Namen Jesus trägt, als Erlöser, läßt er einen Menschen des 20. Jahrhunderts, Karl Glogauer, an dessen Stelle treten und nichts ändert sich, außer daß ein paar interessante Fragen am Horizont des Lesers auftauchen und man sich Gedanken über Inhalt und Form religiöser Überlieferungen machen sollte. Auch wenn auf den ersten Blick der Anschein entstehen könnte, Moorcock führe einen blasphemischen Schlag gegen die Kirche, so schließt er sich doch nicht der Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab an, daß da kein Gott sei.
Die Imitatio Christi (so übrigens der Titel, den die Erzählung Behold the Man bei ihrer deutschen Erstveröffentlichung, 1971, erhalten hat), die Aufforderung der Kirche an ihre Gläubigen, das eigene Leben nach dem Jesu Christi auszurichten, seinem Beispiel zu folgen, wird hier in letzter Konsequenz innerhalb des fiktionalen Textes verwirklicht. Mit Hilfe der Mittel, die die Gattung Science Fiction einem Autor zur Verfügung stellt, erreicht es Moorcock, die Kirche zu desavouieren, denn wenn jeder, oder auch nur ein gewöhnlicher Mensch wie Karl Glogauer in der Lage ist, das zu leisten, was Jesus Christus dem Mythos nach geleistet hat, dann wird Jesus überflüssig, denn jeder kann den Mythos aufs neue erfüllen.
Copyright © 1986 by Florian F. Marzin
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