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INRI

INRI

Titel: INRI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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ihnen aufsah. Für einige Augenblicke starrten sie ihn an und hielten die Wasserkrüge vor ihrer behaarten Brust.
    Glogauers Kenntnisse der alten aramäischen Schriftsprache waren gut, aber er war nicht sicher, ob er die Sprache gut genug sprechen konnte, um sich verständlich zu machen. Er würde es zuerst mit Englisch versuchen, denn es wäre lächerlich, wenn er doch nicht durch die Zeit gereist wäre und versuchte, mit modernen Israelis oder Arabern in einer arabischen Sprache zu reden.
    Er fragte schwach: »Sprechen Sie Englisch?«
    Einer der Männer runzelte die Stirn, und der andere, der mit dem Baumwollumhang, verzog das Gesicht, sprach ein paar Worte zum anderen und lachte dann. Der andere antwortete in ernsterem Ton.
    Glogauer glaubte ein paar Wörter zu erkennen und lächelte nun selbst. Sie sprachen das alte Aramäisch. Er war ganz sicher. Er war gespannt, ob es ihm gelingen würde, einen Satz zu bilden, den sie verstehen würden.
    Er räusperte sich. Er befeuchtete seine Lippen. »Wo - sein - dieser - Ort?« fragte er unbeholfen.
    Jetzt runzelten sie beide die Stirn, schüttelten die Köpfe und stellten ihre Wasserkrüge auf den Boden.
    Glogauer fühlte seine Energie schwinden und sagte eindringlich: »Ich - suchen - ein Nazarener - Jesus…«
    »Nazarener. Jesus.« Der größere der beiden wiederholte die Worte, aber sie schienen ihm nichts zu bedeuten. Er zuckte die Achseln.
    Aber der andere wiederholte nur das Wort Nazarener und sprach es langsam aus, so als hätte es eine besondere Bedeutung für ihn. Er sprach leise ein paar Worte zu dem anderen Mann und ging dann weg.
    Glogauer richtete sich mühsam ein wenig auf und winkte dem zurückgebliebenen Mann, der ihn voller Verwunderung ansah.
    »Welches - Jahr«, fragte Glogauer langsam, »sitzt - der römische Kaiser - in Rom?«
    Es war eine verwirrende Frage, die er da gestellt hatte, wurde ihm klar. Christus war im fünfzehnten Regierungsjahr des Tiberius gekreuzigt worden, und deshalb hatte er die Frage gestellt. Er versuchte sie besser zu formulieren.
    »Wie viele - Jahre - regiert Tiberius?«
    »Tiberius?« Der Mann furchte die Stirn.
    Glogauers Ohr gewöhnte sich schon an den Klang der Sprache, und er bemühte sich, ihn besser nachzuahmen. »Tiberius. Der Kaiser der Römer. Wie viele Jahre regiert er schon?«
    »Wie viele?« Der Mann schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht.«
    Wenigstens war es ihm gelungen, sich verständlich zu machen, dachte Glogauer. Sein sechsmonatiges Studium der aramäischen Sprache im Britischen Museum war also doch von Nutzen gewesen. Diese Sprache war anders - vielleicht zweitausend Jahre älter -, und sie lehnte sich mehr ans Hebräische an, aber es war erstaunlich leicht gewesen, sich mit dem Mann zu verständigen. Er dachte daran, wie seltsam es ihm vorgekommen war, daß er gerade diese Sprache müheloser gelernt hatte als andere. Der eine oder andere seiner etwas übergeschnappten Freunde hatte angedeutet, daß ihm die Erinnerungen seiner Rasse dabei geholfen haben könnten. Manchmal war er fast selbst davon überzeugt gewesen.
    »Wo ist dieser Ort?« fragte er.
    Der Mann sah ihn überrascht an. »Aber, es ist die Wüste«, sagte er. »Die Wüste hinter Machärus. Weißt du das nicht?«
    In biblischer Zeit war Machärus eine große Stadt südöstlich von Jerusalem, auf der anderen Seite des Toten Meeres. Sie war am Hang eines Berges erbaut, im Schutze einer prächtigen, von Herodes Antipas gebauten Burganlage. Wieder spürte Glogauer seine Stimmung steigen. Im zwanzigsten Jahrhundert würden nur wenige den Namen Machärus gekannt, geschweige denn ihn als Orientierungshilfe benutzt haben.
    Es war fast kein Zweifel möglich, daß er in der Vergangenheit war und daß die Zeit irgendwo in der Regierungszeit von Tiberius lag, wenn der Mann, mit dem er gesprochen hatte, nicht völlig ungebildet war und keine Ahnung hatte, wer Tiberius war.
    Aber hatte er die Kreuzigung verpaßt? War er zur falschen Zeit gekommen?
    Wenn ja, was sollte er dann jetzt tun? Denn seine Zeitmaschine war beschädigt, ließ sich vielleicht nicht mehr reparieren.
    Er ließ sich aufs Stroh zurücksinken und schloß die Augen. Wieder einmal packte ihn das vertraute Gefühl der Niedergeschlagenheit.
    Als er das erste Mal versuchte Selbstmord zu begehen, war er fünfzehn gewesen. Er hatte eine Schnur an einen Haken in der Wand des Umkleideraums in der Schule gebunden. Er hatte die Schlinge um den Hals gelegt und war von der Bank gesprungen.
    Der Haken

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