Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
Vom Netzwerk:
mehr, lass uns gehen, lass uns Afrika verlassen. Sie hielt den Atem an.
    Wie ein springender Delfin schoss er aus dem Schwimmbecken, stand plötzlich vor ihr, seine violettblauen Augen waren fast schwarz. Er nahm sie in die Arme. »Das mit dem Konto für die Kinder wusste ich nicht, das ist gut«, murmelte er, »Vilikazis Waisenkinder sind zu viele geworden, er liest ständig neue von der Straße auf. Typisch Vilikazi. Vermutlich schleppt er auch jeden herrenlosen Hund an. Sarah schafft es nicht mehr allein, für sie zu sorgen.
    Ihre Hand schmerzt zu sehr. Eine großzügige Spende würde sicher sehr willkommen sein.«
    Sie schmiegte sich an ihn. »Möbel wird er auch brauchen. Und Schulbücher.« Sie bog ihren Kopf zurück, betrachtete seinen Mund, lachte leise, tief in der Kehle. »Du lenkst mich ab. Wie kann es sein, dass ich dir nach dieser Ewigkeit immer noch nicht widerstehen kann?«
    Es war sehr still. Mittagspause. Ein paar Vögel zwitscherten schläfrig im Zitronenbaum. Ein Hauch von Karamell von den abgebrannten 91
    Zuckerrohrfeldern strich über die Hügel herunter, würzte die klare Vorfrühlingsluft.
    »Schottischer Zauber«, murmelte er. Sein Mund war warm und vertraut, und seine Berührung brachte ihren Körper zum Singen, machte sie unersättlich.
    Sie waren glücklich. Bis Tita an diesem schrecklichen Freitag, dem 6. Oktober 1978, den Schleier von ihren Augen riss und die hässliche südafrikanische Wirklichkeit vor ihnen entblößte. Die Kinder waren in der Schule. Sie packte ihre Einkäufe in die Küchenschränke, bat Augusta, ihr einen Kaffee zu machen, und legte sich auf der Terrasse in ihren Lieblingsliegestuhl. Sie schlug die Zeitung auf, als das Telefon klingelte. Sie hob ab. »Hallo, Tita!« »Lass uns in der Oyster Box Kaffee trinken«, sagte ihre Freundin, und Henrietta wusste sofort, dass sie ihr etwas mitteilen wollte, was nicht für andere Ohren bestimmt war, denn sie hasste Kaffee, trank ausschließlich Tee.
    Die Härchen auf ihrer sonnenwarmen Haut stellten sich zu einem feinen, stacheligen Pelz auf, und das hatte nichts mit der plötzlichen Böe zu tun, die durch die Palmenwedel über ihrem Kopf raschelte. In Südafrika wird man so. Nie konnte sie vergessen, wie das gewesen war in den Monaten, die diesen schrecklichen Tagen im März 1968 vorausgegangen waren, als BOSS ihr Telefon abhörte, jeden ihrer Schritte beobachtete, ihre Bankkonten überwachte, ihre Briefe öffnete. Solche Dinge vergisst man nicht, sie werden zu einem Teil des Charakters. Man spricht leiser in der Öffentlichkeit, sagt nur harmlose Sachen am Telefon und registriert, wenn ein fremdes Gesicht zu häufig auftaucht. Sie lernte, aus einer Menschenmenge einen Agenten an seiner reptilienhaften Reglosigkeit und den ruhelosen Augen herauszufinden. Eine solche Fähigkeit lässt sich nicht mehr auslöschen.
    »Neu hat gehört, dass ein Gesetz vorbereitet wird«, sagte Tita, als sie auf der Terrasse des Oyster-Box-Hotels Platz genommen hatten, und nippte an ihrem Tee, »das der Regierung ermöglicht, alle Männer, 92
    die in Südafrika geboren wurden, in die Armee einzuberufen, egal welche Staatsangehörigkeit sie besitzen. Angeblich plädieren einige Parlamentarier dafür, alle Männer bis zum fünfzigsten Lebensjahr, die länger als zwei Jahre hier leben, einzuziehen. Jan und lan hätten sie damit am Wickel. Die Abstimmung soll angeblich in drei Monaten sein. Es sind bereits Schauergeschichten im Umlauf, was passieren wird, wenn einer das Land verlässt, um der Einberufung zu entkommen und irgendwann später wieder zurückzukehren.« Sie sah sie fest an. »Du weißt, was die sich hier ausdenken können.« In einem tropischen Garten breitete sich das flache Oyster-Box-Hotel rechts und links von seinem Glockenturm aus wie die Flügel eines Schmetterlings. Es lag direkt über dem Meer auf der Anhöhe über dem schlanken, rotweißen Leuchtturm von Umhlanga Rocks. Kaskaden blauer Trichterblumen fielen den sandigen hohen Steilhang hinunter auf den Strand. Eine meterhohe Barriere von mächtigen, rund geschliffenen, wie von einem Riesen dorthin geworfenen Felsen lag schützend vor der Küste. Es war Ebbe, und das Meer hatte sich weit zurückgezogen, die Brandung im ablandigen Wind war fast nur ein Flüstern. Die Sonne stand im Zenit, die Welt um sie gleißte und glitzerte.
    Die schmerzhafte Helligkeit stach ihr in den Augen, und sie legte ihre Hand schützend darüber, um allein mit sich zu sein, Zeit zu haben, über das

Weitere Kostenlose Bücher