Ins dunkle Herz Afrikas
einem Fahrzeug mit bewaffneten Männern begleitet. Dann fand man es sicherer, die Kinder in ein gepanzertes Fahrzeug zu stecken, und so eskalierte das Ganze, bis es für uns normal war, unsere Kinder morgens in diesen gepanzerten Wagen zu setzen, dem minensichere Panzerfahrzeuge mit Schwerbewaffneten vorausfuhren und folgten.
Man gewöhnt sich an jede Situation.« Janet nahm einen Schluck heißen Tee, warf ihr einen prüfenden Blick zu. »Du weißt, dass südafrikanische Truppen auf der Seite unserer Jungs kämpfen?« Als wäre sie von einer Wespe gestochen worden, zuckte sie zurück. Südafrikanische Truppen? Südafrikaner kämpften in Rhodesien? Nein, nein, nein! Energisch stemmte sie sich gegen ihre überschlagenden Gedanken, unterdrückte die Erinnerung an Edward Strat-ton, einen der ranghöchsten Offiziere im Söldnerheer, der sich im Kampf gegen Mugabes Rebellenarmee hervorgetan hatte und jetzt im gleichen Rang für die südafrikanischen Armee an der angolanischen Grenze stand.
Sie wich Janets Blick aus. »Nein!«, sagte sie laut, »unmöglich, du musst dich irren!« Sicher war Janet einem der vielen Gerüchte aufgesessen, die wie Giftwolken über Südafrika zogen. Sie registrierte, dass Janet vergeblich versuchte, die Teetasse ohne zu zittern zu halten, hörte ihre Worte, aber weigerte sich, deren Bedeutung auf ihr Leben zu übertragen. »Wir sind sicher«, sagte sie, »unser Sohn ist Deutscher, sie können ihn nicht einziehen. Jan und Julia sind zwar von Geburt Südafrikaner, aber wir haben schon 1964 ihre südafrikanische Staatsangehörigkeit widerrufen. Uns kann nichts passieren.«
Sie sagte es laut und entschieden, um die Warnungen ihrer untrüglichen inneren Stimme zu übertönen. Als sie die Staatsangehörigkeit der Zwillinge widerrufen hatten, war die Notiz im selben Jahr im Staatsanzeiger veröffentlicht worden.
Das brachte sie damals endgültig auf die schwarze Liste von BOSS.
Seit Anfang dieses Jahres nun wurden sie immer häufiger daran erinnert, vor allem von Banken und Behörden. »Weiß der Teufel, woher die das wissen«, wütete lan, als er sich wie-85
der einmal mit einem überheblichen, übel gelaunten Beamten hatte herumschlagen müssen. »Sitzt der Kerl da und meint mit diesem Ohrfeigengesichtsausdruck, werden Sie und Ihre Kinder endlich Südafrikaner, Mr. Cargill, dann haben Sie keine Probleme mehr! Woher wusste er, dass unsere Kinder einen deutschen Pass haben, Liebling? Trotz des Briefes von Dr. Kruger, der uns doch einwandfrei unsere Rückkehr ermöglichte, trotz der Versicherung, dass alles in Ordnung ist, muss am Widerruf offensichtlich doch irgendwo festgehalten worden sein!«
Während eines gemeinsamen Strandspaziergangs klärte Neu sie auf. »Jemand, der es auf euch abgesehen hat und sich in einer Position befindet, euch Schwierigkeiten zu machen, muss darüber gestolpert sein. Ihr habt unsere gefräßige Armee um einen strammen Soldaten betrogen«, sagte er zynisch, »habt ihr erwartet, dass sie euch dafür die Füße küssen? Die brauchen jeden Mann an der Grenze, und in ein paar Jahren wäre Jan soweit.«
lan brütete über den Worten seines Freundes. »Mrs. Snell. Auf sie trifft alles zu, was du sagst.« Er warf einen Stein ins Wasser.
»Ruth Snell?« Neu nickte. »Klingt plausibel.«
Kurz darauf erhielten sie noch andere Warnungen. Es war ein paar Monate später, im April 1977, an einem dieser herrlichen Spätsommertage in Natal, klar, mit leuchtenden Farben, die Sonne stieg aus der kühlen Morgendämmerung in einen Himmel wie aus Aquamarin. Sie fuhr durch Zuckerrohrfelder und eukalyptusgesäumte Wege zur Schule. Jan hatte sein Schulbrot vergessen und spätestens jetzt, um zehn Uhr, war er sicherlich am Verhungern. Die erste große Pause musste gerade angefangen haben, sie würde es ihm rasch zustecken können. Geschrei von hohen, jungen Stimmen bestätigten ihre Annahme. Auf dem Platz zwischen einer Gruppe niedriger Holzbungalows tobten dreißig oder vierzig Schüler in kakifarbenen Schuluniformen herum.
Ein kleiner, stämmiger Junge aber stand reglos, wie angewachsen inmitten der spielenden Kinder da. Sein Gesicht war unter der Son-86'
nenbräune von einem leblosen Grau, er röchelte und schnappte nach Luft. Es dauerte Momente, bevor sie ihn erkannte. Jonny, der Sohn von Janet Hamilton.
Nach diesen vielen Jahren in dem schlangenreichen Natal war ihr erster Gedanke, dass der Grund für seine offensichtliche Angst eine Schlange sein müsse. Sie drängte sich durch
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