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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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glänzende Oberfläche.
    »Schönes Stück, das du hier hast, die Intarsien sind wirklich gut. Aber, meine Liebe, den musst du wirklich mal restaurieren lassen, der ist ja total verkratzt. Sieh mal hier und hier«, er legte seine Finger auf die Stellen, wo das Furnier abgeplatzt war, »und dort auch. Ich kenne da einen Kunsttischler, der macht so etwas ganz herrorragend. Wie neu sind die Stücke hinterher. Ich geb dir mal seine Adresse. Sag ihm, du kommst von mir, dann macht er es besonders gut. Wo habt ihr den gekauft?«
    Sie ließ ihre Finger über das Holz gleiten. »Der Schrank gehörte meiner Urgroßmutter. Meine Großmutter und ihre fünf Geschwister, mein Vater, seine Brüder, mein Bruder und ich sind damit aufgewachsen. Dieser Kratzer hier, der ist noch frisch, der stammt von Julia.« Sie rieb ihren Finger über eine gewellte Stelle des Wurzelfurniers. »Ein Souvenir aus Natal. In der feuchten Sommerhitze hat sich das Furnier gelöst, und hier«, ihre Fingerkuppe passte gerade in das schwarzgealterte Loch in den honigfarbenen Intarsien, »das stammt von Großmama, als Kind war ihr eine Vase umgefallen.« Sie lächelte versonnen. »Zu jedem Kratzer könnte ich dir eine Geschichte erzählen. Der Schrank trägt die Spuren von hundertfünfzig Jahren Familiengeschichte - die lass ich mir doch nicht wegpolieren.« Heiner schob sich eine Lachsscheibe in den Mund. »Honig-Dill-Soße fehlt hier eindeutig«, stichelte er statt eines Kommentars. Ingrid, seine Frau, trat zu ihnen. Sie war groß und sehr blond, mit dieser unverwechselbaren Politur, die nur ein dickes Bankkonto verleiht.
    »Wir haben ein kleines Haus in der Toskana, und da gibt es dieses entzückende Ristorante. Carlo, der Eigentümer, kocht einfach göttlich, sag ich dir - er ist sowieso göttlich«, kicherte sie mit geröteten Wangen in ihr Ohr, »seine Gambas in Knoblauchsoße, raffiniert dieser Tropfen Cognac darin ...« Sie küsste ihre Fingerspitzen und verdrehte die Augen.
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    »Carlos Familie stellt ihren Mozzarella natürlich selbst her, seine Tomaten mit Mozzarella mit frischem Basilikum ...«, Heiner schnurrte genussvoll, »...
    ein Gedicht.«
    Ingrid warf ihre gesträhnte Löwenmähne in den Nacken. »Du hast dir wirklich Mühe gegeben, aber man merkt, dass du aus dem Busch kommst. Ich leih dir mal ein Buch, dann kannst du nachlesen, wie man Partys gibt, was in ist und so.
    Wenn du hier was werden willst, musst du das wissen.« Ein flüchtiger Blick auf ihr grünes Lieblingskleid. »Ich kenne auch ein paar tolle Boutiquen. Bald laufen die Frühjahrsmodeschauen, ich nehm dich mal mit.« Sie leerte ihr Sektglas. »Wir waren letztlich auf einer tollen Party, schicke, schicke Leute, sag ich dir, irres Haus! Es gab ein ganzes Spanferkel mit einem Apfel in der Schnauze, ganz schnutig, sag ich dir, von dem kleinen Schlachter um die Ecke, der seine Schweine noch vom Bauern bekommt. Ist das nicht originell? Solltest du beim nächsten Mal versuchen. Es war butterbutterzart, sag ich dir, zerging glatt auf der Zunge.« Sie wedelte ihr Glas. »Ich könnt noch ein bisschen Stoff vertragen.« »Stoff?«
    »Na, du hast wirklich auf dem Mond gelebt! Sekt für das Volk, Champagner, so hoffe ich doch stark, für uns!« »Sekt für das Volk«, äffte Henrietta sie böse nach, als die Tür hinter den letzten Gästen zuklappte, »meine Güte, wie konnte ich nur ohne Mozzarella überleben. Das halte ich nicht lange aus!« Ein merkwürdiger Laut antwortete ihr. Sie drehte sich um. lan hatte sich einen Apfel in den Mund gesteckt und grunzte flehentlich. »Ich bin butterbutterzart, ganz schnutig, sag ich dir, ich möchte von dir gefressen werden!« Der Abend wurde nun doch ein Erfolg.
    ''
    Ganz langsam zwang sie ihr kantiges Ich in die gängige Form, wenn auch unter Schmerzen, hartnäckig versuchte sie, ihre seelischen Wurzeln in die schwere Erde Deutschlands zu bohren. Allmählich lugten die ersten gelben Krokusse unter der schmelzenden Schnee-99
    decke hervor, die frühen Forsythien brachen auf und zeigten ihr, dass alles um sie herum zu neuem Leben erwachte, dass die dunkle Zeit erst einmal vorüber war. Ihr Herz sang, wenn zur Obstbaumblüte eine Wolke aus weißrosa Blüten und Honigduft über ihrem Garten lag, und an Regentagen mühte sie sich, an zarte Aquarelle zu denken. Aber ihr Wurzelgeflecht fand seinen lockeren Bodenwuchs langsam, und nachts, wenn sie auf ihren einsamen Reisen durch wirre Traumwelten irrte, wachte sie häufig auf und spürte Nässe auf

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