Ins dunkle Herz Afrikas
muss, um sein Leben zu retten. »Ich bin stocknüchtern«, bot sich Neu an, »ich könnte sie schnell holen.«
»Toll!«, kreischte Susi, die offensichtlich mitgehört hatte. »Ich bin sofort fertig.«
»Blöde Henne«, murmelte sie auf Deutsch.
Eine Stunde später wuselte Susi, ganz in Sonnengelb gekleidet, auf die Terrasse. Sie hatte rote Ohren und glänzende Augen vor Verlegenheit. »Hi«, flüsterte sie in die Runde und sah dabei so anziehend hilflos aus, dass alle Männer einen Schritt auf sie zu machten und gleich darauf mindestens drei mit gefüllten Sektgläsern auf sie zustürzten. Einer schleppte einen Stuhl heran, und Dr. Braunle bot ihr galant seinen Arm. »Darf ich Sie zum Büffet geleiten, gnädige Frau?«
»Gerne!« Susi warf den Stuhl um, stieß mit dem Ellenbogen dem Mann zu ihrer Linken das Sektglas aus der Hand. Die bernsteingelbe Flüssigkeit ergoss sich im Schwall über Dr. Braunies gestärkte Hemdbrust. Susi hielt sich die Hand vor den Mund, kullerte mit ihren herrlichen Augen und tupfte hektisch an Dr.
Braunle herum, s
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Henrietta grinste schadenfreudig. Gut, die beiden hatten einander verdient!
»Hoffentlich fällt sie nicht in den Grill«, mokierte sich Tita. Sie raffte den engen, geschlitzten Rock ihres leuchtend grünen Korsagenkleids und zog sie zum Haus. »Ich muss dir unbedingt jemanden vorstellen.«
Es waren zwei Mädchen, beide höchstens zwanzig. Eine ähnelte mit ihren kastanienroten Locken und grünen Augen entfernt Tita, war aber viel größer und kräftiger als sie. Die andere war relativ klein, ziemlich mollig und wirkte etwas schmuddelig. Sie starrte mürrisch in die lachende, schwatzende Menschenmenge und kratzte sich dabei zwischen ihren glatt herunterhängenden, karottengelben Haare. Das einzig Hübsche in ihrem pausbäckigen Gesicht waren große, graublaue Augen und eine cremigweiße Haut mit Sommersprossen auf dem Nasenrücken.
»Das sind Janine Kappenhofer, meine Nichte, und Isabella Beau-mont, deine Nichte.«
Ihre Nichte? Ich habe keine Nichte mit diesem Namen, wollte sie gerade sagen, als es ihr einfiel. Isabella musste die Tochter von Benedict Beaumont und Carla, ihrer Cousine, sein. Carla, die einmal versucht hatte, sie zu erstechen, und Benedict, ihr einstiger Verlobter. »Hallo, Tantchen Henri!«
Henrietta holte tief Luft. »Henri« durfte sie niemand nennen. Ihr Vater nannte sie so. Er hatte sie es nie vergessen lassen, dass er ganz selbstverständlich davon ausgegangen war, dass sein Erstgeborenes der Stammhalter werden würde, und deswegen durfte sie niemand so anreden.
»Guten Tag, Isabella. Ich heiße Henrietta, nicht Henri. Wie geht es deinen Eltern«, hörte sie sich dann zu ihrem Erstaunen fragen, denn Carlas Gemeinheiten, ihr Versuch, sie mit einem Steakmesser abzustechen, der Anschlag mit der Schlange und Benedicts Verrat - das alles hatte sie, so weit es möglich war, aus ihrem Gedächtnis gestrichen. Als die Sache 1972 mit Hendrik du Toit passierte, als ans Licht kam, dass Carla und er Unterlagen gefälscht hatten, um sich damit
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Kredite zu erschwindeln, und er seine gerechte Strafe erhielt, war diese Zeit für sie abgeschlossen. Carla hatte Glück, Generalstaatsanwalt Dr. Kruger war nur wegen seiner Schwester Valerie hinter du Toit her gewesen. Carla bekam zwei Jahre auf Bewährung und eine saftige Geldstrafe.
Sie und auch Tita waren sich sicher, dass sie etwas gegen den Richter in der Hand hatte, sonst wäre das Urteil nicht so milde ausgefallen. »Vielleicht hat sie mit ihm geschlafen. Es war Oostmann, der Grabscher, ein geldgieriger Lustmolch!«, bemerkte Tita damals abfällig. »Ich trau der zu, dass sie dabei ein Tonband hat laufen lassen.« Tita konnte Carla nicht ausstehen. Wie Henrietta wusste, hatte sie mit einem Telefonanruf bei Daddy Kappenhofer, der daraufhin mit ein paar Leuten plauderte, auf die es ankam, dafür gesorgt, dass Carla und Benedict in keinem der Renommierclubs Südafrikas aufgenommen wurden.
Am meisten amüsierte es sie, dass es Carla nicht fertig brachte, ihr den Zutritt zu ihrem eigenen Golfclub zu verwehren. Im Gegenteil, sie buhlte um Tita, zog alle Register. Eine Tita Robert-son, geborene Kappenhofer, war das spektakulärste Aushängeschild, das sie sich wünschen konnte.
Das wusste Tita genau. »Ach Gott, es sind doch recht merkwürdige Leute Mitglieder dort«, hatte sie einer Klatschjournalistin auf die diesbezügliche Frage geantwortet, »eher schlichten Gemüts, ein wenig laut - stellen Sie sich
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