Ins dunkle Herz Afrikas
kommt nicht in Frage. Nicht unser Haus.«
»Zahlt er die Miete hier? Oder - na, du weißt schon, - woanders?«, fragte Tita.
»Wie bitte?« Dann schien er zu verstehen. »Ach so, hier natürlich, ganz legal auf ein Konto mit unserem Namen.« Auf dem blumengesäumten Rasen im Zentrum von Umhlanga grüßten sie die prächtigen, ausladenden Indischen Mandelbäume, in deren Schatten Henrietta schon vor neunundzwanzig Jahren gesessen hatte. Unter den tief herunterhängenden Zweigen spielten ein paar Schwarze Karten, ein paar dösten, ein junges indisches Liebespaar lehnte eng umschlungen am Stamm.
Mainas, die aus Indien stammenden Hirtenstare, schwatzten in den dicht belaubten Kronen, eine Gruppe braungrauer Hagedasch-Ibisse, Hadidas - so genannt, weil sie mit ihrem durchdringenden Ruf »Ha-ha-hadida« jeden Morgen die Gemeinde weckten -, stolzierte über das Gras. Es war, als wäre sie nie weg gewesen.
Trotzdem hatte sich etwas verändert. Sie schaute sich um. Die Anwesenheit von Polizisten, die an strategischen Punkten des gut über-
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schaubaren Zentrums von Umhlanga standen, konnte es nicht sein. Polizei war in Südafrika immer präsent gewesen. Eine muntere, farbige Menschenmenge bevölkerte die kleine Einkaufsstraße. Unter dem breitblättrigen Baum vor dem Supermarkt hockte eine immens dicke, ältere schwarze Frau und verkaufte Schnittblumen, und im Schatten der Sonnenschirme auf dem kleinen Geviert vor dem Cafe aßen die Gäste sahnegekrönte Eisbecher. Eine junge indische Familie mit sechs lebhaften Kindern bestellte gerade. Und dann erkannte sie den Unterschied. Es saßen nicht nur Weiße in dem Restaurant, und die Menschenmenge auf der Straße war wirklich farbig geworden. Hätte man heute eine Farbe daraus gemischt, wäre ein wunderschönes Goldbraun herausgekommen. Der Funke, der sich in ihr entzündete, wurde zu einem heißen Glücksflämm-chen. Sie wandte ihren Kopf hierhin und dorthin. Lachende, friedliche Menschen aller Hautfarben nebeneinander unter der heißen afrikanischen Sonne.
Oh, sie schaffen es, sie schaffen es vielleicht doch, ohne dass es ein Gemetzel gibt, jubelte sie innerlich und stieß lan an. Zu erklären brauchte sie ihm nichts, er sah, was sie sah. »Dann wäre es wirklich das Paradies«, sagte er leise und auf Deutsch. Ihr Herz hämmerte wie wild. »Und dann könnten wir zurückkommen«, flüsterte sie die Worte wie ein Gebet. Er erwiderte nichts, drückte nur ihre Hand.
»Wir haben ein neues Einkaufszentrum - gibt einen tollen Klamottenladen dort«, rief Tita, warf das Steuer herum, der schwere Wagen legte sich schräg, die Räder quietschten ihren Protest. Tita fuhr, wie es ihrem Charakter entsprach.
Impulsiv, temperamentvoll und viel zu schnell. Vor dem Gebäudekomplex aus gelbbraunem Sandstein oberhalb Umhlangas trat sie in die Bremse.
Zu Henriettas maßlosem Erstaunen mussten sie, um in das Einkaufszentrum zu gelangen, eine Sperre mit Metallsensoren passieren, wie am Flughafen, und sich dann von einem Uniformierten durchsuchen lassen. »Was ist denn hier los?«
»Ach, wir befinden uns in einer Art latentem Kriegszustand«, ant-245
wortete Neil, sein Ton zwar spöttisch, seine Miene aber sehr ernst, »wir haben einige Sprengstoffattentate auf öffentliche Einrichtungen gehabt. Man will kein Risiko eingehen.
Beim Betreten des Einkaufszentrums blies ihr der Eiseshauch einer zu kalt eingestellten Klimaanlage ins Gesicht. Schweigend hielt sie dem schwarzen Wachmann ihre Handtasche hin, dachte dabei über den unauflöslichen Widerspruch in der Seele der weißen Südafrikaner nach, die zum Schutz vor schwarzen Terroristen einen Schwarzen als Kontrolleur einsetzte. Er stocherte mit einem kleinen Stöckchen oberflächlich in ihrer Tasche herum und reichte sie ihr mit Dank zurück. Eine Handgranate hätte er dabei nicht gefunden, Eine weiße Frau, etwa in ihrem Alter, drängte sich hinter ihr durch die Sperre. Sie hielt ihre Tasche fest an sich gepresst. »Kein Kaffir wird mit seinen Fingern in meiner Tasche herumwühlen«, verkündete sie und schob den Wachmann einfach beiseite.
Er ließ sie mit einem schafigen Grinsen passieren. Die kräftige schwarze Frau im Hintergrund, ebenfalls in der Uniform des Sicherheitspersonals, sah der Weißen nach, unverhohlener Hass lag auf ihrem breiten Gesicht. Ihr Gummiknüppel sauste dabei klatschend in ihre Hand. Immer noch schweigend folgte Henrietta Tita zu dem Modeladen. Das Erste, was ihr ins Auge fiel, war ein merkwürdiger
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