Ins dunkle Herz Afrikas
Südafrika.
,,,,„.
»Ich habe den Saft für Südafrika in FORLISA umbenannt«, teilte er ihr selbstgefällig mit, »For Life in South Africa«, erklärte er mit harter teutonischer Aussprache. »Frau Tita wird nach Weihnachten die nächste Lieferung nach Zululand bringen. Wollen Sie Ihre Freundin vielleicht begleiten, gnädige Frau? Ich habe gehört, dass Sie lange hier gelebt haben.«
»O ja«, rief Tita aus, die sich zu ihnen gesellt hatte, »prima Idee. Dann hätten wir viel Zeit für uns, und außerdem könntest du da oben ein paar Freunde treffen. Sarah wohnt mit Vilikazi in der Gegend. Ich werde ihr Bescheid sagen lassen, dass sie über den Fluss in das Umuzi ihres Vetters kommt, in dem wir diesen Monat erwartet werden.«
Freude durchfiihr sie wie ein Stromschlag. Sarah, ihre schwarze Schwester! Wie lange hatten sie sich nicht mehr gesehen! Auch ihr Briefkontakt war mager geworden.
»Ich bin sicher, die öffnen meine Post«, berichtete Sarah, als sie vor zwei Jahren von einer Telefonzelle aus in Deutschland anrief. »Wir müssen vorsichtig sein«, hatte sie geheimnisvoll hinzugesetzt, und Henrietta musste an ihre verkrüppelte Hand denken und daran, wer ihr das zugefügt hatte. Hatte Vilikazi sich um denjenigen gekümmert, wie er sich einmal um Mr. Naidoo gekümmert hatte? Mr. Nai-doo, der tot aus dem Hafenbecken gezogen wurde. Sarah wich ihren Fragen aus und schrieb danach nur belanglose Postkarten, die ihr lediglich mitteilten, wie es um ihre Gesundheit stand. Ihre Tuberkulose war ausgeheilt, aber sie hatte sich im Norden Zululands eine Malaria zugezogen.
Glücklicherweise nicht die Tropica, bei der sie keine Chance gehabt hätte, aber alle paar Monate bekam sie einen Anfall, wurde schwächer und schwächer.
Henrietta schickte Tita Geld. »Bring sie zu einem guten Tropenarzt. Sie scheint ziemlich krank zu sein.«
Der Arzt, holländischer Abstammung und sehr freundlich, verordnete Medikamente gegen die Malaria und Aufbaumittel. »Die Pillen streiten sich mit meiner Leber«, schrieb Sarah, »es ist
234
235
eine afrikanische Krankheit, die hat keine Angst vor kleinen runden Mehlkugeln.« Sie warf die Medikamente weg. Henrietta wusste, dass sie ihren Inyanga, den kräuterkundigen Heiler, aufgesucht hatte. Das war vor Jahren gewesen, und nie wieder hatte sie angeblich einen Malariaanfall erlitten. »Der Ruhm meines Inyangas ist im ganzen Land verbreitet, Hilfe Suchende kommen von weit her, um ihn zu sehen«, schrieb sie, »erinnerst du dich? Einmal hat er auch zu dir gesprochen.« Sie erinnerte sich, nur ungern allerdings. Es war an dem Tag gewesen, irgendwann im Oktober 1967, als sie Sarah und Imbali in ihr Heimatdorf irgendwo in der äußersten Ecke Zululands begleitet hatte. Imbali war von einer Schlange in die Wade gebissen worden, und innerhalb kürzester Zeit hatte sich die Schwellung bis über ihr Knie ausgebreitet, das Bein glich einem prallen blauen Ballon, die Lymphdrüsen in der Leiste waren walnussgroß.
Imbali krümmte sich vor Schmerzen.
»Hast du die Schlange gesehen - ich muss wissen, welche Art es war, damit ich das passende Antiserum spritzen kann - schnell, Sarah, es geht ihr schlecht!«, drängte sie. Wie alle, die in der Nachbarschaft von Zuckerrohrfeldern wohnten, hatte auch sie einen Schlangenbiss-Set mit verschiedenen Seren im Kühlschrank.
»Es war etwas, das im Boden wohnt, schwarz mit zwei Köpfen«, hauchte Imbali mit wild rollenden Augen, und ihre Mutter weigerte sich, sie ins Krankenhaus zu bringen, sondern bestand darauf, ihren Inyanga aufzusuchen. Wütend und sehr besorgt, trug sie das Mädchen ins Auto, um Mutter und Tochter nach Zululand zu fahren.
Der Inyanga, ein noch junger Mann, geschmückt mit der Krone seiner Würde aus Stachelschweinstacheln und üppigen Perlschnüren, saß unter dem grasgedeckten Dach, das von vier Holzpfählen getragen wurde, etwas abseits der anderen Hütten im Schatten des Büffeldornbaums. Ziegen rupften die Blätter von den niedrigen Zwei-'gen, überall lagen fliegenbedeckte Dunghaufen. Stechender Tiergestank hing in der Luft. Auf einem Altar aus flachen Felssteinen 236
waren die Zutaten für seine Medizin, sein Muthi, ausgebreitet: Krauter, Tierknochen, gebleichte Tierschädel, Muschelschalen, Vogelfedern, die Borken verschiedener Bäume. In einem Topf köchelte ein Gebräu, dessen Geruch sie zum Niesen brachte. »Was benutzt er dafür?«, fragte sie Sarah.
Diese senkte ihre Lider. »Dinge von Tieren - und so.« In ungewohnt
Weitere Kostenlose Bücher