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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Bergziege, und dann saß sie auf ihrem Felsen, auf den sie sich schon vor neunundzwanzig Jahren geflüchtet hatte, wann immer Kummer sie drückte. Hier oben war sie allein mit dem Himmel, dem Wind und den Wellen, kein Mensch störte hier ihr Einssein mit den Elementen.
    Seeanemonen spien winzige Wasserfontänen, Krebse schmatzten und wisperten zwischen dem Seetang, ihre Panzer schabten über den Stein. Das Wasser in den Felsenteichen gluckste. Sie lauschte ihren Geschichten, verschmolz mit dem Stein, fühlte seine Wärme unter sich. Der Horizont war weit, der Himmel ohne Grenzen. Sie fand endlich Ruhe. Es hatte keinen Tag in den letzten 248
    elf Jahren gegeben, an dem sie nicht von dem Zauber ihres Felsens, von diesem Moment geträumt hatte. Sie war angekommen. Nach einer Weile spürte sie seine Hand auf ihrer Schulter, hörte die Stimme ihres Mannes. »Hast du es wieder gefunden?« Er wusste, was der Felsen für sie bedeutete.
    Sie nickte. Ja, sie hatte es wieder gefunden, der Zauber wirkte noch. Das Brummen eines starken Motors riss sie aus ihrer Welt. Sie fuhr herum. Auf dem dunkelgoldenen Sand, am Rande der auslaufenden Wellen fuhr ein Auto. Ein Polizeijeep! Ein Polizeihubschrauber erschien plötzlich über ihnen, das Knattern der Rotoren übertönte selbst die Brandung, er verlor langsam an Höhe und landete auf dem flachen Gebäude direkt am Strand, das dort noch nicht stand, als sie das letzte Mal hier spazieren gegangen war, das ihr heute noch nicht aufgefallen war. Das Wort »Policestation« war so groß geschrieben, dass sie es von ihrem Felsen aus lesen konnte. Den Tränen nahe, kletterte sie von dem Stein hinunter. Tita und Neu hatten sie mittlerweile eingeholt. »Was macht eine Polizeistation hier am Strand?«
    Tita streichelte ihr über die Wange, seufzte, machte eine Handbewegung, die die wimmelnde Menschenmenge umfasste, aber antwortete nicht.
    Schweigend stapften sie durch den feuchtwarmen Ufersand, beobachteten silberglänzende Fische in den flachen, glasklaren Felsenteichen, lächelten zwei älteren Zulufrauen zu, die im Unterrock mit einem seligen Ausdruck auf ihren runden Gesichtern im flachen Wasser saßen und sich von den auslaufenden Wellen wiegen ließen. Doch der Zauber war gebrochen.
    »Lasst uns gleich nach Hause fahren«, bat sie, »wir können uns unser Haus immer noch ansehen. Für heute habe ich genug.« Sie drehte sich auf dem Absatz um, stieß dabei aus Versehen einem älteren Mann ihren Ellenbogen in den Magen.
    Vor Schmerz aufstöhnend krümmte sich der Mann, alle Farbe wich aus dem sonnengegerbten Gesicht unter den borstigen weißen Haaren. »Oh, das tut mir Leid!« Sie berührte ihn besorgt. »Hab ich Sie verletzt?«
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    Für einen Moment starrte er sie schweigend an, dann glitt sein Blick zu lan und wieder zurück zu ihr. »Nein«, sagte er dann, »nein.« Seine Miene war ausdruckslos, seine Augen nicht. Feindseligkeit und Hass flackerten in ihnen wie ein kaltes, blaues Feuer. Verstört fuhr sie zurück. Was hatte sie getan?
    Bevor sie ihn noch einmal ansprechen konnte, war er in der Menge verschwunden.
    Undeutlich regte sich eine Erinnerung in ihr. Irgendwoher kannte sie das Gesicht! Hatte sie ihn schon einmal getroffen? Oder auf einem Bild gesehen?
    Sie kramte in ihrem Gedächtnis, konnte keinen Anhaltspunkt finden. Nein, dachte sie, er hat wohl nur eine flüchtige Ähnlichkeit mit einem der vielen Gesichter, die ich in mir trage. »Oh, um Himmels willen«, tönte da unüberhörbar eine etwas heisere weibliche Stimme hinter ihr, »ich bin ja auch für die große Umarmung unserer Brüder und Schwestern, aber doch nicht alle auf einmal!«
    Diese Stimme kannte sie! Sie wirbelte herum, der alte Mann war vergessen. Ihre alte Freundin, lans Cousine, Diamanta Daniels, genannt Glitzy, verheiratete Mrs. Frank Kinnaird. »Glitzy!«, sie war außer sich vor Freude, »hallo, Glitzy!«
    Babyblaue Augen unter einer teuer glänzenden, blonden Mähne starrten sie für Sekunden verständnislos an, dann flog ihr Glitzy um den Hals. »Henrietta! Wo um alles in der Welt kommst du her«, sprudelte sie, ohne einmal Atem zu schöpfen, »was machst du hier du-musst mir sofort alles erzählen!« Dann warf sie sich lan in die Arme und küsste ihn herzhaft ab. »Du kannst mir heute noch die Füße küssen, dass ich dich meiner Freundin Henrietta vorgestellt habe, Cousin!«
    Henrietta lachte laut. Glitzy hatte sich überhaupt nicht verändert. Sie wirkte wie ein belebendes Glas Sekt. »O Glitzy, wie

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