Ins dunkle Herz Afrikas
du nicht!« Ingrid stopfte den Kalender in ihre gesteppte Tasche, die an einer Goldkette über ihre Schulter hing, warf ihren Kaschmirblazer über die Schulter und verabschiedete sich.
Henrietta knallte die Tür hinter ihr ins Schloss. »Ich muss mich abreagieren, ich werde unseren afrikanischen Garten malen«, erklärte sie lan, »vielleicht wird das meine Stimmung heben.« »Wunderbar«, lächelte lan, »falls du die Fotos sucht, sie liegen in der Kommode.« Nein, dachte sie, ich werde meinen Garten nicht malen, wie ein Foto
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ihn zeigt, sondern meine Erinnerung an den Duft, die Farben der Blüten, das Lichtgefunkel in den Blättern, die Wärme. Die Wärme! Sie leerte die Kiste mit ihren Malutensilien, die sie seit ihrem Umzug von Südafrika nicht mehr ausgepackt hatte, verstreute Pinsel, Farbtuben, Skizzenblock, aufgerollte Leinwände um sich herum und baute ihre Staffelei auf. Dann spannte sie eine Leinwand und starrte auf das weiße Rechteck.
Sie starrte, bis ihre Augen schmerzten. Nach einer Weile hängte sie ein Tuch darüber. Was sie fühlte, was in ihr jetzt vorging, die Bilder, die sich in ihrem Kopf drehten wie ein Mahlstrom, das konnte sie nicht auf die Leinwand bringen.
»Es würde vermutlich ein tiefschwarzes Viereck werden«, sagte sie leichthin zu lan, brachte es fertig, die Tränen, die in ihr hochstiegen, herunterzuschlucken. Dann zerbrach sie die Pinsel, zerschnitt die Leinwände und quetschte alle Farbtuben aus, bis sich vor ihr ein Haufen farbiger Schlangen zu knäulen schien. Dann warf sie alle Malsachen in den Ascheimer, als könnte sie dadurch auch ihren Schmerz loswerden. Bis auf die Staffelei, die trug sie auf den Dachboden. Mit einem weißen Leinentuch verhängt, verstaubte sie als knochiges Gespenst in einer Ecke.
Der Terminkalender an sich wurde zum Symbol ihrer Anpassungsschwierigkeiten.
Stur lud sie zu kleinen Festen ein, die nur ein, zwei Wochen später stattfanden. Doch die Anzahl der Leute, die so kurzfristig Zeit hatten, wurde immer kleiner, bis sie endlich kapitulierte, sich einen Terminkalender kaufte und ihre zwischenmenschlichen Kontakte mehrere Wochen im Voraus plante. Die Daten trug sie jeweils in aggressiver roter Tinte ein. Sie empfand sie als persönliche Niederlage.
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März 1 985 - Hamburg
Der Winter in Hamburg war lang und kalt gewesen, die Sonne konnte sich nur selten durch die grauen Wolken kämpfen, und Mitte März flüchteten sie sich zu einem kurzen Urlaub in den milden, blü-
tenduftgeschwängerten Frühling Mallorcas. Sie badeten im sanften Licht der Mittelmeersonne, krochen aus dem Winterdunkel wie Schmetterlinge aus ihrem Kokon. Den letzten Abend beschlossen sie mit einem Essen im Yachtclub in der Bucht Palmas. Die lichterfun-kelnde Stadt lag vor ihnen, das schwarze Wasser plätscherte leise gegen die Segelschiffsrümpfe. Stimmengesumm und Gläserklingen zeigten, dass das Restaurant gut besetzt war.
Die vier Englisch sprechenden Gäste am Nebentisch, alle teuer gekleidet, die Damen klimperten mit reichlich Schmuck, schlemmten sich fröhlich durch einen Berg von Vorspeisen. Sie erkannte ihren Akzent sofort. Zumindest die Blonde mit dem rot glitzernden Pail-lettenkleid, die Rotwein gläserweise hinunterschüttete, und der Dicke neben ihr, der mit unbekümmert lauter Stimme sprach, waren Südafrikaner. Er hob den Arm in einer großspurigen Geste, traf ver-sehentlich die Hand der Blonden, und das Weinglas zerschellte vor Henriettas Füssen, Rotwein spritzte auf ihre Schuhe und durchtränkte die Beine ihres hellen Hosenanzugs. Unwillkürlich sprang sie auf.
»Verzeihung!« Die Blonde war ebenfalls aufgesprungen, entschuldigte sich überschwänglich.
»Es ist nichts«, antwortete sie auf Englisch, »machen Sie sich keine Sorgen.«
Der Dicke stand ebenfalls auf. Braune Pigmentflecken übersäten seine Haut, schimmerten durch seine strähnigen blonden Haare, ein 106
Lächeln teilte sein fleischiges Gesicht wie ein Messerschnitt. »Erwarten Sie noch jemanden? Setzen Sie sich doch zu uns - nein, keine Widerrede«, wischte er ihre überraschten Proteste weg, »ich werde Sie einladen, es ist das Mindeste, was wir als Entschuldigung bieten können. Ober«, brüllte er, »noch zwei Gedecke und zwei Mal Langusten! Ich nehme an, Sie mögen Langusten?«
Lautstarker Jubel der anderen unterstützte ihn.
Er war ihr auf Anhieb unsympathisch. Instinktiv war sie sofort auf der Hut, und lans Reaktion zeigte ihr deutlich, dass er dieselbe Abneigung gegen diesen Mann
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