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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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durch.« Sie deutete auf die Fichtenstümpfe. »Jeden Morgen beim Aufwachen werde ich als Erstes diese Fichten sehen, und jeden Morgen werden sie mir ein wenig mehr Sonne und Licht nehmen.« Sie hob ihre Augen zu ihrem Mann. »Bitte, Liebling, das halte ich nicht aus.« Ein Spalt öffnete sich in ihrer Seele, ihr afrikanischer Garten lockte, sonnendurchglüht und voller Farben. Sie machte einen Schritt darauf zu, da spürte sie seine Hand auf ihrem Arm. »He, Kleines, bleib bei mir«, sagte er leise.
    Sie erschrak. Es war unmöglich, dass er von ihrem Schlupfwinkel wusste, doch sie sah ihm in die Augen und war sich nicht mehr sicher. Man musste auf der Hut sein vor ihm und seinen ungewöhnlichen Augen. Tiefblau, fast violett, täuschten sie durch kräftige Lachfält-chen. Er kultivierte einen schläfrig verschmitzten Ausdruck, nett und harmlos sah er dann aus, wie einer, mit dem man einen amüsanten Abend verbringen konnte. Konnte man auch, höchst amüsant, war man nett und harmlos.
    War man es nicht, verlor lan für keinen Augenblick sein nettes, verschmitztes Grinsen, so etwa wie ein hungriger Hai, und diesen gefährlich schönen Augen entging nichts. Seit diesem 12. März 1968, als Cedric, ihr Anwalt, den schützenden Kokon, in dem sie gelebt hatten, mit seinem Anruf für immer zerstört hatte, gab es den netten, gelassenen, umgänglichen lan Cargill nicht mehr. Am 21. März hatte er sie in Umhlanga mit den Kindern zurücklassen müssen, um auf geheimen Pfaden mit der Hilfe von Vilikazi und dessen Kampfgefährten, die sie nicht kannte, lebend aus Südafrika her-127
    auszukommen. Ein paar Tage später hatte sie mit Julia und Jan das Land verlassen, offiziell für einen Europaurlaub. Sieben Tage später, sieben Tage, die länger als ihr bisheriges Leben dauerten, waren sie sich am Ufer des Genfer Sees in die Arme gefallen. Er hatte einen frisch verschorften Streifschuss am Hals, war noch immer fröhlich und gelassen, lächelte verschmitzt, aber etwas in seinen Augen war anders. Wachsam, kontrolliert, abwartend, als hätte er im Busch etwas von den wilden Tieren angenommen.
    Manchmal hatte sie das unheimliche Gefühl, dass er geradewegs durch ihre Augen in ihre geheime Gedankenwelt sehen konnte. Er sprach nicht über diese sieben Tage, nicht einmal mit ihr, seiner Frau. Alles wussten sie voneinander, sie waren so vertraut, dass sie sich nur mit den Augen verständigen konnten, nur über diese sieben Tagen erfuhr Henrietta nichts.
    Zart berührte sie jetzt die bleistiftbreite, weiße Schussnarbe an seinem Hals.
    »Lass uns für eine Woche auf die Malediven fliegen«, schlug sie nervös vor, um ihn abzulenken, »wir könnten in der Sonne herumliegen, Langusten essen, schlafen«, sie küsste das unartige Grinsen in seinen Mundwinkeln bei diesen Worten, »und einfach nichts tun. Die Sonne scheint nicht nur in Afrika.«
    Abwesend erwiderte er ihren KUSS, antwortete aber nicht gleich, hielt sie nur sehr fest. Die Farbe wich ihm aus dem Gesicht, als liefe das Leben aus ihm heraus. Er starrte ins Leere, aber sein Ausdruck zeigte, dass er etwas sah, was sie nicht sehen konnte, etwas, was ihn an den Rand von Panik trieb.
    »He, was ist, du zerdrückst mich - ich kriege keine Luft mehr«, japste sie.
    »Bitte?« Er schien weit weg zu sein, seine Augen waren ohne Leben, wie blaue Steine.
    Sie bog seine Arme gewaltsam auf. »Ist etwas? Du siehst aus, als hat- '• test du einen Geist gesehen.«
    ; Er blickte hinunter in ihr Gesicht. Mit dem Zeigefinger glättete er ! die feinen Fältchen unter ihren Augen, malte die geschwungene Li- ] nie ihrer Lippen nach. »Nein«, sagte er nach einer langen Weile sehr
    leise, »nein, es gibt keine Geister - ganz sicher nicht.« Sein Blick klärte sich. »Ich sag dir morgen Bescheid, ob ich mir zwei Wochen Zeit nehmen kann, ich muss erst im Terminkalender im Büro nachsehen. - Lass uns essen gehen, du brauchst Tapetenwechsel und eine gehörige Portion Zucker für die Seele. Der Dessertteller im >Dorf-krug< in Volksdorf ist ein Wundermittel gegen Depressionen. Ruf Monika und Berthold Kaiser an, oder die Möllingsdorfs, ein bisschen Gesellschaft kann nicht schaden.«
    Während Henrietta telefonierte und sich zum Ausgehen anzog, stand er, Hände in den Hosentaschen, am dunklen Fenster und starrte in die Nacht hinaus.
    Merklich fröhlicher kam sie ins Wohnzimmer. »Kaisers kommen, und Möllingdorfs haben auch Zeit, ich hab schon einen Tisch im >Dorfkrag< bestellt. In einer Dreiviertelstunde

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