Insalata mista: Aus dem Leben einer italienischen Working Mum
ausnahmslos jeden Abend Punkt 20.20 Uhr Aa.
Das Ereignis an sich wäre nicht der Rede wert, wenn er bei dieser Gelegenheit nicht stets seine Sicht der Welt offenbaren und erzählen würde, was er erlebt hat (ob Fakt oder Fiktion spielt dabei keine Rolle). Dieses Begleitprogramm zur Erledigung seines Bedürfnisses macht die halbe Stunde von 20.20 Uhr bis 20.50 Uhr zu einem absoluten Pflichttermin, den man keinesfalls versäumen darf. Jeden Abend vollzieht sich die Zeremonie auf die genau gleiche Weise, ein nervtötendes Ritual, wie Kinder es lieben. Er sitzt beseelt von seiner Mission auf dem Thron und lässt die Beine baumeln. Elasti-Mama hockt resigniert vor ihm, an seine Hobbitbeinchen geschmiegt.
»Mach es dir doch bequem, Mama, streck die Beine aus, sonst tun dir nachher die Knie weh.«
Elasti-Mama hasst es, wie ein altes Mütterchen behandelt zu werden. »Ich habe es sehr bequem, jetzt mach Aa und kümmere dich nicht um meine Knie.«
»Mmm, lecker, die Sachentorte!«
»Was weißt du denn von Sachertorte?«
»Die kenn ich gut, die habe ich immer gegessen, als ich in Bologna gewohnt habe ...«
Das ist reine Fantasie. Er weiß nicht einmal, wo Bologna liegt.
»Und wann, bitte schön, hast du in Bologna gewohnt?«
»Vor ganz langer Zeit, beim Opa T. Wir haben immer Sachentorte gegessen und ganz viel Schokolade. Beim Schokoladeessen hatten wir total viel Spaß zusammen, ich und der Opa, in Bologna.«
»Entschuldige, aber wo bin denn ich, deine Mama, gewesen, als du und der Opa euch mit Schokolade und Sachertorte vollgestopft habt?«
»Du?« Der Hobbit wirft ihr aus einer übelriechenden Wolke von seinem Thron herab einen überlegenen Blick zu. »Was hast du denn damit zu tun? Du warst da doch noch so ein kleines Böhnchen im Bauch von deiner Mama«, fährt er unerbittlich fort.
»Dann hast du dir also mit dem Opa in Bologna den Bauch mit Schokolade vollgeschlagen, während ich ein kleines Böhnchen im Bauch von Oma K war.«
»Genau«, sagt er, als spräche er mit einer Schwachsinnigen.
»Wir kannten uns also damals nicht?«
»Nein, wir sind uns erst später begegnet, in Mailand, und wir haben uns sofort gemocht, auf den ersten Blick.«
»Aha ... hast du jetzt Aa gemacht?«
»Häppiböasdeitujuuuu! Häppiböasdeitujuuuu«, ... singt er hingebungsvoll mit geschlossenen Augen zur Melodie von Zum Geburtstag viel Glück.
»Es heißt ›Happy birthday to you‹, das ist ›Zum Geburtstag viel Glück‹ auf Englisch.«
»Das kannst du doch gar nicht wissen. Dieses Lied hat mir der Opa in Bologna beigebracht, als du noch ein kleines Böhnchen warst.«
Donnerstag, 18. Januar
Einmal Odaliske, immer Odaliske
Elasti-Mama besitzt weder die weichen, runden Formen der Odalisken noch ihre Anmut, geschweige denn ihre Sinnlichkeit. Und doch ist sie im Herzen eine Odaliske.
Dieses Wissen gab ihr die Kraft, sich mit einer Zähigkeit, die höherer Ziele würdig wäre, über ihre Schuldgefühle, die Erpressungsversuche der Hobbits und vor allem über den gesunden Menschenverstand hinwegzusetzen und sich - wie bereits in den vergangenen zwei Jahren - zum Bauchtanzkurs anzumelden.
Zwei Jahre lang gelang es ihr, ihren Mangel an Begabung hinter ihrem dicken Bauch zu verstecken. Gut zwei Kurse lang wirbelte sie schwanger und unbekümmert zwischen ihren erstaunten Mitschülerinnen herum. Die Lehrerin betrachtete ihre Bemühungen mit Nachsicht, die anderen Odalisken amüsierten sich über sie, manch eine war besorgt, das Kind könnte unversehens während des Tanzens zur Welt kommen, doch im Großen und Ganzen war sie auf Wohlwollen gestoßen.
Dieses Jahr hat sie keine derartige Entschuldigung mehr. Sie schrieb sich für den Kurs bei Aisha ein, einer betörenden Odaliske, die vor Jahren den Bauchtanz in Italien eingeführt hat. Eine Frau, die sich mit Leib und Seele der Aufgabe verschrieben hat, weitere Odalisken heranzubilden, die wiederum zu Botschafterinnen und Interpretinnen dieser uralten Kunst werden sollen. Aisha ist der weibliche Guru des orientalischen Tanzes schlechthin.
Elasti-Mama erscheint zum Unterricht. Für Fortgeschrittene.
An der Aufmachung der anderen Kursteilnehmerinnen erkennt sie, dass hier Ernst gemacht wird. Elasti-Mama trägt einen Trainingsanzug und hat sich einen schwarzen Fetzen um die Hüften geschlungen, mit ein paar schäbigen Münzen dran, die gelegentlich klimpern. Die anderen präsentieren sich triumphierend mit Schleiern, Spitzen, Hals- und Fußkettchen und Armreifen. Direkt dem
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