Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Insalata mista: Aus dem Leben einer italienischen Working Mum

Insalata mista: Aus dem Leben einer italienischen Working Mum

Titel: Insalata mista: Aus dem Leben einer italienischen Working Mum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia de Lillo
Vom Netzwerk:
Harem des Sultans entsprungen. Geschminkt, tätowiert und bezaubernd.
    Elasti-Mama und ihr Fetzen lassen sich aber dadurch nicht einschüchtern.
    Der Unterricht beginnt. Das Aufwärmen läuft wie geschmiert. Man dehnt sich, man schüttelt sich aus, die Elasti-Odaliske wird langsam ungeduldig.
    Die Trommeln legen los, und dann ist alles nur noch ein einziges Füßestampfen, Hüftenschwenken, Münzgeklingel und Stoffgeraschel. Elasti-Mama fühlt sich eins mit den anderen. Die Kutte macht noch keinen Mönch. Sie ist zwar weniger herausgeputzt als die übrigen, aber auch sie ist Teil dieses ausschließlich weiblichen Stammesrituals. Sie findet sich immer mehr in ihre Rolle, schließt die Augen und lässt ihre innere Odaliske tanzen, frei und glücklich. Dann öffnet sie die Augen wieder. Während sie selbst wie eine verrückt gewordene Sprungfeder auf und ab hüpft, konzentrieren sich die anderen ganz auf ihre Mitte. Sie stehen regungslos da und lassen nur den Bauchnabel akrobatisch kreisen: Ihre Bäuche bewegen sich abwärts, rollen sich ein und wieder aus, halten Zwiesprache. Dann sagt Aishas Bauchnabel den anderen, dass jetzt eine andere Übung dran ist, und nun bewegt sich zur fortdauernden Trommelmusik das Becken, aber immer noch fast unmerklich. Alle sind ganz bei der Sache und lächeln vor sich hin.
    Elasti-Mama versucht ebenfalls zu lächeln, bringt jedoch bei dem Versuch, Bauchnabel und Becken zu kontrollieren, nur eine verzerrte Grimasse zustande. Aisha sieht sie an wie eine Bausünde zwischen den Palmen einer Oase. Und während alle Übrigen mit weichen, fließenden Bewegungen Hüften, Becken und Schultern kreisen lassen, deutet Aisha mit dem Finger auf sie.
    »Du da, in dem Trainingsanzug, komm mal her. Ihr anderen macht einfach weiter.«
    Elasti-Mama huscht zur Lehrerin hinüber.
    »Schau mal, weich und entspannt, folg einfach der Musik, nicht so steif ...«, flüstert Aisha ihr ins Ohr. »Du bist jetzt ein Kamel, mach es mir nach, weich, sei ein Kamel ...«
    Die dämlichen Haremsziegen wiegen sich weiter in den Hüften und bedenken sie mit herablassenden Blicken. Sie beherrschen den Kamelgang perfekt, während Elasti-Mama ihre Beine nicht mehr spürt, geschweige denn noch etwas anderes.
    Aischa sieht sie so untröstlich an, dass sie verspricht, zu Hause ganz viel zu üben, schließlich hat sie ja sonst nichts zu tun.
    Am Ende der Unterrichtsstunde ist Elasti-Mamas Selbstbewusstsein auf einem historischen Tiefststand.
     
Samstag, 20. Januar
    Schuld ist nur Pollyanna
     
    Eigentlich sollte Elasti-Mama jetzt mit den Hobbits und Mister Wonder in einer Berghütte auf 2000 Meter Höhe die Hochzeit ihrer guten Freundin Cecilia feiern.
    Da Elasti-Mamas Leben weder mondän noch besonders aufregend ist, freut sie sich seit Monaten darauf. Alles war organisiert, vom todschicken Kleidchen über die Fünf-Liter-Thermosflasche mit Biogemüsepampe, mit der ihr Kleiner eine ganze Woche in den Bergen hätte überleben können. Sogar eine Rede auf die Braut hatte sie vorbereitet und sich darauf eingestellt, sich zu betrinken und barfuß auf den Tischen zu tanzen. Aber Pustekuchen.
     
    In der vergangenen Nacht um 3.30 Uhr ist der kleine Hobbit heulend erwacht. Mit 40 Grad Fieber. Er schmiegt sich so eng an Elasti-Mama wie eine Decke, gibt in den folgenden vier Stunden ein leises Stöhnen von sich und strahlt eine Höllenhitze ab.
    Eine halbe Stunde später werden unheilvolle Töne laut.
    Mister Wonder geht dem mit gebührendem Ernst nach.
    »Ich habe gepotzt«, sagt der große Hobbit.
    »Wo hast du hingekotzt?«, fragt der Übervater.
    »Im Flur, ist einfach so passiert, dass ich im Flur potzen musste. Aber jetzt geht's mir wieder gut. Wir fahren doch morgen früh zum Heiraten in die Berge?«
    Es ist vier Uhr morgens, der Flur ist unpassierbar und das Bett überfüllt.
    »Wir werden heute wohl nicht fahren können«, folgert der weise Mister Wonder im Morgengrauen.
    »Nein, wohl ganz bestimmt nicht«, antwortet Elasti-die-Vernünftige, die vor Wut und Enttäuschung am liebsten die Gemüsepampe an die Wand knallen würde.
     
    Leider hat Elasti-Mama mit elf Jahren die Geschichte von Pollyanna gelesen, und die hat sie geprägt.
    Pollyanna ist ein Waisenmädchen, ganz allein auf der Welt und vom Unglück verfolgt. Trotzdem lächelt sie immer, weil irgendein Sadist ihr ein fantastisches Spiel beigebracht hat. Bei diesem Spiel gibt es nur eine Regel: Wenn dir etwas Schlimmes widerfährt, freu dich, denn es hätte noch viel

Weitere Kostenlose Bücher