Inselwaechter
könnten?«
Grohm richtete sich im Sessel auf. »Sie lebte derzeit nicht in einer festen Beziehung. Eine enge Freundin von ihr ist Felicitas von Banz, eine Anwältin.«
Es war zäh geworden. Nach dem hektischen Beginn des Treffens war nun Ermattung eingekehrt. Schielin ließ eine lange Pause entstehen, die niemand unterbrach. Lydia Naber verstand, dass er das Gespräch beenden wollte, und schwieg.
*
Helmut Grohm brachte die beiden zur Tür und ging danach zum Fenster, sah stumm hinunter auf den Hafen. Claire Wilms und Melanie Schirr waren auf dem Sofa sitzen geblieben. Melanie Schirr begann zu kichern. Erst leise, dann immer lauter, bis sie ein zynisches, böses Lachen von sich gab, das in einem hysterischen Jammern endete. »Der große Doktor Grohm, vor dem die Fachwelt niederkniet, Studentinnen ihre Möpse auspacken und alles in Ehrfurcht erstarrt – bekommt von einer Polizistenblondine eine aufs Maul! Ha! Ha, ha, ha!«
Grohm drehte sich um.
Melanie Schirrs Ton wurde lauter, aggressiver, noch bösartiger. »So richtig eine in die Fresse gehauen! Wumm! Wumm!« Sie ließ ihre rechte Faust dazu in die linke Handfläche knallen. »Wieso hast du ihr denn kein Tablettchen ins Maul geschoben, he! Wieso nicht! Wieso nicht!? Weil du die Hosen voll hast, die Hosen voll! Die zwei sind gar nicht übel drauf, wie!? Wieso hast du eigentlich nicht von deinen Morgenspaziergängen erzählt? Wo warst du eigentlich heute Morgen … im Jachthafen vorne, oder bei der Altherrentour hinten am Bahnhof vorbei, zu diesem runden Turm? Hast du dich noch mit ihr getroffen, heute Morgen?« Sie lachte laut und stieß Claire Wilms kumpelhaft an. »Haben keine schlechten Fragen gestellt, oder? Ab welcher Summe Geld verwandelt sich der Betrag zu einem Motiv. Tödliche Frage, Herr Doktor Oberfurz! Ist es nicht so!? Ab welcher Summe ist der Punkt erreicht, wo man nicht mehr verhandeln muss, sondern über Alternativen nachdenkt? Ein Abwägungsprozess … liegt die Grenze bei einer Million?«
Grohm drehte sich angewidert dem Fenster zu.
Claire Wilms fragte erschrocken: »Eine Million? Wollte sie wirklich eine Million? Wie um Gottes Willen ist sie auf eine solch irre Summe gekommen – und weshalb … es ging doch nicht um …?«
Melanie Schirr lachte irr. »Ja. Da kommt das Nichtlein in die Firma und schon ist der Teufel los. Sebald hätte nie segeln gehen sollen.«
Grohm schwieg und starrte über den See. Die Konturen der Berge zeichneten sich im weicher werdenden Licht mit einem weichen Graugelb ab. Die Silhouette von Leuchtturm und Löwe bargen etwas Ewiges in sich und wirkten aus diesem Grund beruhigend.
*
Lydia Naber fuhr langsam an der Post vorbei und nahm den Weg über alten Schulplatz und Fischergasse zum Segelhafen. Während sie sprach, suchte sie ihren Freund Martin zu entdecken, den sie schon lange nicht mehr gesehen hatte. Schielin schwieg und wartete, dass sie redete. »Mein lieber Freund. Das war gerade aber quer rein, mitten durch und hinten raus. Blöde Sache. Ich ärgere mich richtig, dass ich mich durch diesen Doktor Graubart, diesen affektierten Freuddarsteller, so habe provozieren lassen.«
»Er tut es immer noch«, sagte Schielin und sah in das Schaufenster des Antiquitätengeschäfts. Keine neuen Bilder.
Lydia nuschelte etwas. »Aber sag doch mal selbst. Das war doch eine Unverschämtheit, eine völlig groteske Situation. Ihre Kollegin wird ermordet und die inszenieren eine solche Runde, in der nur der Papa reden darf, oder was!? Widerlich, der Kerl.«
»Ich fand das interessant«, meinte Schielin, »und ich denke, dass du genau richtig reagiert hast. Jetzt wissen sie wenigstens, wie das so läuft mit uns und die Einzelvernehmungen werden, zumindest was die Stimmung angeht, entspannter sein.«
Lydia Naber war skeptisch. »Entspannter … das glaube ich nicht. Wir haben es mit Berufsrednern zu tun. Und unsere Psychospielchen ziehen bei denen nicht, denn es ist ihr ureigenstes Metier. Ich glaube, das wird ziemlich schwierig.«
»Und ich glaube nicht, dass es ihr Metier ist. Auf Spielchen werden wir allerdings wirklich verzichten. Ein Tisch, harte Stühle, Diktiergerät – und man unterhält sich. Das ist brutal.«
»Wann?«, fragte sie.
»Gleich morgen Vormittag. Wen von denen willst du?«
»Ohhh, diesen Grohm …. ne, also auf den verzichte ich. Nicht, dass ich ihm ins Gesicht springe, wenn er dieses verständnisvolle Geschwafel daherbringt. Von denen war doch keiner traurig – die haben nur davon geredet …
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