Inselwaechter
haben.«
»Nein«, kam es gequält von Dohmen.
»Nein?«, fragte Lydia Naber aggressiv lauernd.
»Neiiin, ich meine, ich weiß es nicht, wo der Schein her ist.«
»Also wir wissen, dass er aus der Schweiz gekommen ist, und zwar in Ihrem Boot«, sagte Funk ernst, »und unsere Erfahrung mit den bösen Menschen und dem Verbrechen als solches sagt uns, dass so ein Schein sich ganz, ganz einsam fühlt – so alleine. Und dass aus diesem Grund immer ganz, ganz viele solcher Scheine aus der Schweiz nach Deutschland reisen. In Ihrem Fall will es das Unglück, dass just zu dem Zeitpunkt, als Ihr Boot den Lindauer Segelhafen erreicht hat, dort eine Frau erstochen wurde. Und Sie sitzen hier und beten Ihr Mantra herunter, von allem nichts, aber auch gar nichts zu wissen. Geht das Baugeschäft vielleicht nicht so ganz gut und Sie vermieten Ihr Boot an … nennen wir sie mal … Kuriere? So eine Art Bodensee-Paketdienst – für die kleinen, wertvollen Dinge, hm?«
»Unterlassen Sie doch diesen sarkastischen Ton«, mischte sich Rieber eine Spur zu empört ein. Er war augenfällig froh, auch mal etwas sagen zu können.
Schielin überlegte, wie lange es mit dem Auto dauerte, von Meersburg nach Ravensburg zu fahren. Eine Dreiviertelstunde etwa. Jasmin musste inzwischen schon bei Dohmens Frau sein. Falls sie sie nicht angetroffen hätte, wäre die Nachricht umgehend erfolgt. Ihm fiel nichts mehr ein, wie er Dohmen noch hätte hierbehalten können. Einen Tatverdacht gegen Dohmen zu konstruieren wäre unklug gewesen, solange man das Alibi nicht überprüft hatte. Endlich klopfte es an der Tür und Gommi bat Schielin heraus. Jasmin war am Telefon.
*
Jasmin Gangbacher hatte nicht allein der beruhigend schönen Meersburger Altstadt wegen, und um Schielin anzurufen, in der Meersburger Seminargasse gehalten. Sie war nach dem Telefonat in die Verkaufsstelle des Staatsweingutes gesprungen und hatte ein paar Kartons eingeladen. Der Blanc de Noir ging zur Neige, und davon musste man noch eine Weile naschen können. Die durch ihre Besorgung verlorene Zeit holte sie mit ihrem verwegenen Fahrstil wieder herein. In brausender Fahrt programmierte sie das Navi mit der Adresse der Familie Dohmen.
Eine Rauputzmauer umgab das ausgedehnte Grundstück. An der Innenseite verdeckten Büsche und Hecken das Mauerwerk. Zweimal hatte sie energisch auf die Klingeltaste gedrückt, worauf aus dem Lautsprecher eine zaghafte Stimme zu hören gewesen war. Kurz darauf war Frau Dohmen selbst am Eingangstor erschienen, obwohl sie es von innen hätte öffnen können. Der erste Blick sagte Jasmin Gangbacher, es mit einem angenehmen Menschen zu tun zu haben. Sie trug ein leichtes Sommerkleid, hatte glatte braune Haare, die bis zur Schulter reichten. Über die Schulter hing eine hellblaue Strickweste, die sie trotz der Wärme über dem Brustbein mit der linken Hand zusammenzog, als wollte sie verhindern zu frieren. Überhaupt machte sie einen müden Eindruck und stand leicht gebeugt vor Jasmin Gangbacher, obwohl sie ein eher sportlicher Typ war. Ohne Umschweife gingen sie zum Haus. Man hätte leicht auf der Terrasse sitzen und die Rosen bewundern können. Der Garten stand in voller Pracht, war voller unterschiedlicher Rosen, ohne puppenstubenhaft zu wirken. Doch Frau Dohmen ging in das dezent abgedunkelte Wohnzimmer, von wo der Blick allerdings auch genussbringend war, wie Jasmin Gangbacher feststellte. So wie Schielin ihr Dohmen beschrieben hatte, war sie von einer rustikalen Wohnlandschaft ausgegangen. Diese Frau hätte sie so schon nicht erwartet und das Haus in dieser Form auch nicht. Weite, klare Linien und Raum. In den Regalen standen echte Bücher und keine Dekorationsware. Der Schrank mit Musik-CDs war gut sortiert. Im Vorübergehen hatte Jasmin Gangbachers Blick gleich vier verschiedene Gesamteinspielungen der Beethoven’schen Streichquartette erhascht. Das war schon besonders.
Die Frage, ob man ihr etwas anbieten könne, verneinte sie. Entgegen allen Geboten der Distanz und Sachlichkeit, mit dem Risiko, ohne ein Ergebnis wieder fahren zu müssen, stellte sie nach einem Augenblick des Schweigens ihre erste Frage. »Was ist es, das Sie so traurig macht, Frau Dohmen, inmitten dieses wundervollen Gartens, umgeben von Büchern und Musik? Ihr Mann befindet sich in Lindau auf unserer Dienststelle. Es scheint, er will sich, Ihnen und uns nicht weiterhelfen – tun Sie es doch bitte.«
Frau Dohmen schwieg und sah sie lange an. Dann sagte sie leise: »Es ist
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