Inselwaechter
Gesprächspartner erwartet, und wie sie der Sache nach auch gestellt werden mussten. Grohm war in der Bar bekannt. Nicht etwaiger häufiger Aufenthalte wegen, sondern als von dem Mordgeschehen Betroffener. Am Donnerstagabend war er in der Bar gewesen. Nicht zusammen mit den beiden Frauen, wie Wenzel auf Nachfrage erfuhr, sondern zusammen mit einem Mann. Gleiches Alter. Der Fremde war es, der eine Flasche Wein bestellt hatte, die dem Barkeeper in Erinnerung geblieben war. 1989er Clerc Milon. Schöner Jahrgang, guter Tropfen. »Wissen Sie, es ist ja recht einfach auf der Weinkarte den teuersten Wein zu bestellen, und es klingt ja auch noch schön, diese Namen auszusprechen, weil sich so viel damit verbindet: Chateau Mouton Rothschild, Clos Vougeot, Latour, Margaux, Haut-Brion. Die wahren Kenner aber unterscheidet man, wie sicher sie sich jenseits der ganz großen Namen bewegen.«
Wenzel bestätigte mit einem Bonmot: »Die charaktervollsten Weine finden sich oft in Kellern, deren Eigentümern genau diese Eigenschaft abgeht.«
Man war sich einig.
»Und mit diesem Mann hat Herr Grohm den Abend verbracht?«
»Es war schon sehr spät. Die beiden haben da hinten in der Ecke gesessen, am kleinen runden Tisch, und haben die Flasche Wein zusammen getrunken.«
»War was besonders daran?«
»Im Grunde genommen nichts.«
»Also bitte! Hier sitzen so viele Leute. Was war also das Auffällige?«
»Es schien eine sehr ernste Unterhaltung gewesen zu sein. Und – der andere, er hat eine Narbe gehabt. Direkt unter dem rechten Auge … und hat nicht so recht zu unserem Gast gepasst. Ein etwas herber Typ, fast ein wenig heruntergekommen.«
*
Als Wenzel einige Zeit später auf der Dienststelle eintraf, saßen die anderen im Besprechungszimmer beisammen. Dohmen und Anwalt Rieber befanden sich bereits auf dem Weg nach Hause. Jasmin Gangbacher war kurz zuvor von Ravensburg zurückgekehrt und hatte von ihrer Begegnung mit der verstörten Frau Dohmen berichtet. Das Foto mit den vier Männern, das sie in den Unterlagen von Agnes Mahler gefunden hatte, ließ sie herumgehen. Alle, die Helmut Grohm gesehen hatten, deuteten auf den jungen Kerl, den Zweiten von rechts. Wenzel setzte sich still in die Runde und Lydia Naber flüsterte ihm die Neuigkeiten zu, die der Nachmittag gebracht hatte. Dohmens Sohn Bernd war schon am Freitag mit dem Motorboot in die Schweiz gefahren. Angeblich, um dort Freunde zu besuchen. Am Samstagmorgen hatte er angeblich völlig aufgelöst zu Hause angerufen und gesagt, dass er »der Frau nichts getan habe«. Seither war er unauffindbar.
Wenzel war ähnlich ratlos wie die anderen. Was sollte man damit anfangen. Konnte man eine solche Story überhaupt glauben?
Jasmin Gangbacher verließ die Runde, um die Unterlagen zu sichern, die sie fotografiert hatte.
Kimmel fragte in Richtung Schielin: »Die Fahndung nach diesem Sohn da … die läuft doch schon. Das scheint mir doch die heißeste Spur zu sein – flüchtig. Besser geht es ja gar nicht.
Schielin stand auf. »Läuft alles.«
Wenzel tippte ihn an und meinte: »Einen Hinweis noch, bevor du gehst. Ich habe mich vorhin noch mal im Hotel umgehört. Eines der Mädchen dort hat mir erzählt, dass das Zimmer zwovierundzwanzig am Samstagmorgen völlig unberührt gewesen war. Es hätte da niemand im Bett gelegen in der Nacht auf Samstag.«
Lydia Naber drehte sich ihm zu. »Zimmer zweihundertvierundzwanzig? Ist das nicht das Zimmer von Melanie Schirr?«
Wenzel schaute der Sicherheit halber auf seinem Notizblock nach. »Nein. Das ist das Zimmer von Claire Wilms.«
»Dann hat die uns doch glatt angelogen«, sagte sie erschrocken zu Schielin, der stehen geblieben war und enttäuscht schnaufte. »Verlogen wie eine deutsche Bahnhofsuhr! Das gibt es doch nicht! Immer wieder Überraschungen in diesem Job. Gerade von ihr hätte ich das nicht erwartet. Sie war also gar nicht in ihrem Zimmer.«
Funk lachte. »Ja, Conrad. Früher war die Frage, wann denn der Fünfuhrzug führe als Witz und rein rhetorisch gemeint, heute ist diese Frage mehr als berechtigt.«
»Taugt diese Zeugin, dieses Zimmermädchen was?«, wollte Schielin wissen.
»Ich habe da schon nachgehakt. Es kommt schon manchmal vor, dass Gäste ihr Bett selbst machen – ist so eine psychische Sache bei manchen. Aber in diesem Fall ist es eindeutig nicht so. Sie hat mir erklärt, dass sie als Einzige im Hotel so ein spezielles Faltenkunstwerk vollführt, das so niemand nachmachen kann. Bett und Zimmer waren
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