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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob M. Soedher
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war aus seiner Position nicht zu erkennen, ebenso wenig wie eine Bewegung. Er wurde unruhig und wendete schließlich. In langsamer Fahrt, vorsichtig wie ein Jäger, ließ er das Boot zurückgleiten. Sein Paddel streichelte zurückhaltend über die Wasseroberfläche. Er steuerte landabwärts, um schneller einen Blick auf die Gestalt zu bekommen. Er wollte auch dem, was er in einem ersten Impuls befürchtete entdeckt zu haben, nicht zu nahe sein. Der Schal schwenkte leblos über dem Wasser. Walter Zenger erkannte einen hellbraunen Mantel und braune Haare, deren lange Locken unter einer Baskenmütze hervorquollen. Sein Herz schlug schnell und der Schweiß, den er spürte, war kühl. Er rief: »Hallo!« Es klang verwaschen, aus dem Gaumen gepresst, und das Druckgefühl an der Kehle ließ es dumpf und schal klingen. Er wiederholte: »Hallo!«, diesmal lauter. Keine Regung. Von der Seeseite her hatte er in seiner Verfassung keine Chance in den Pavillon zu kommen. Die Eisentreppe an der Mole war unüberwindlich für ihn. Er musste in das Hafenbecken fahren.
    Ein Glück war es gewesen, dass man ihn so schnell gefunden habe und er musste dankbar dafür sein, hörte er. Viele hatten ihm das gesagt. Er hätte anderes erwartet, was man hätte sagen können. Ein Freund war gekommen und hatte lange neben seinem Bett gesessen und erzählt, was so geschah, in seiner kleinen Welt. Das hatte gutgetan. Kein Wort von Dankbarkeit für etwas. Inselrunde. Wenn er so dagelegen hatte, in den langen Zeiten zwischen Untersuchungen, Essenszeiten und in den noch längeren Nächten, hatte er die Augen geschlossen und war sie in Gedanken gefahren – die Inselrunde. Hatte dem Wasser, dem Wind, den Gerüchen, Geräuschen und Empfindungen nachgespürt und bei sich geschworen, es aus ganzem Herzen genießen zu wollen, wenn er jemals wieder in der Lage wäre es erleben zu dürfen. Die linke Seite kam recht schnell wieder in Schwung, auch weil er fleißig übte.
    Mit der zitternden rechten Hand kramte er das Handy aus der oberen Tasche der Schwimmweste. Die trug er nur, weil er es seiner Frau versprochen hatte und sie so ein wenig beruhigter war; die Brusttaschen waren praktisch. Das Paddel an der linken Hand hängend und nun auf der Kunststoffschale des Kajaks klappernd, war ihm wie eine lästige Prothese. Er wählte eins, eins, null, und wartete. Eine müde klingende Stimme forderte ihn auf, Name, Ort und Art des Geschehens zu beschreiben, woraufhin er sich konzentrierte und zu sprechen begann. Er war aufgeregt und machte Pausen, in denen er nach Luft rang. Ein schmaler Bereich seiner unteren Lippe weigerte sich noch immer gegen die obere zu pressen. Alle summenden Laute kamen aus diesem Grund wie ein Brummen oder Stöhnen daher. Er unterbrach sein beunruhigtes Sprechen, fühlte, dass ihm am anderen Ende nicht die ganze Aufmerksamkeit zuteilwurde. Er hörte Stimmen in der Muschel. Die professionelle Stimme sprach mit einer anderen Person. Es klang unterdrückt, so als hielte jemand eine Hand vors Mikrofon. Dennoch hörte er die Worte nur ein Besoffener, und er sah den Gesichtsausdruck, die wegwerfende Handbewegung vor sich. Er sah erschrocken und gleichsam ruhig auf das Handy. So war es also nun, so klang er, so wurde er wahrgenommen – wie ein Besoffener. Sein Blick ging hinauf zu der reglosen Gestalt. Ihr Schicksal riss ihn aus dem Anflug von Selbstmitleid. Er drückte das Gespräch weg und wählte die Nummer seines Bruders. Der erfasste schnell, dass etwas im Segelhafen geschehen war, verständigte die Lindauer Polizei und begab sich selbst auch schon auf den Weg. Walter Zenger paddelte zwischen zwei dümpelnde Segeljachten und zerrte sich an den Tauen aus dem Kajak. Vorne am Restaurant Mole 3 war niemand zu sehen. Endlich oben, eilte er an der Mauer entlang dem Pavillon zu. Es sah nicht gut aus. Der Körper lehnte zusammengesunken an der schmalen Brüstung, der linke Arm steckte eingeklemmt und unnatürlich an der Holzsäule. Die Beine waren in seltsamer Weise verdreht. Wenige Meter vor der Frau blieb er schwer atmend und fassungslos stehen. Hier gab es keine Hilfe mehr. Das Glück schnell gefunden gab es nicht immer. Nichts und niemand konnte ihr mehr helfen.

    Die Sonne hatte sich als grell leuchtender Ball am Himmel von allem Nebel und Schleierwolken befreit. Wie ein monströser Scheinwerfer brannte sie die Farben aus der Szene. Der rote Schal, die braunen Haare, die bleiche Haut. Als sollte es ein letztes Feuerwerk der Farben geben für die

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