Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
Torrent-Datei auf der beliebtesten aller Torrent-Webseiten einstellen: The Pirate Bay. Das hieß, schon sehr bald würde jeder Interessierte über 40.000 E-Mails von Barr herunterladen und lesen können.
Am Morgen, etwa 30 Stunden vor dem Super-Bowl-Endspiel, überprüfte Barr die Webseite von HBGary und sah, dass sie, genau wie er vorhergesehen hatte, mehr Anfragen als üblich bekam. Es waren keine legitimen Besucher, sondern die Anfänge eines DDoS-Angriffs von Anonymous. Das war nicht das Ende der Welt, aber er loggte sich bei Facebook ein, um unter dem fiktiven Profil eines Julian Goodspeak mit einem seiner Anon-Kontakte zu sprechen, einer anscheinend wichtigen Figur namens CommanderX. Barrs Recherchen und seine Gespräche mit CommanderX ließen ihn vermuten, dass dieser in Wirklichkeit »Benjamin Spock de Vries« heiße, was allerdings nicht stimmte. CommanderX, der nicht wusste, dass eine kleine Gruppe von Hackern sich bereits Zugang zu Barrs E-Mails verschafft hatte, antwortete auf Barrs höfliche Anfrage, ob CommanderX nicht etwas gegen die Überlastung seiner Webseite tun könne. »Meine Recherchen sind abgeschlossen. Ich habe nichts gegen euch«, erklärte Barr. »Ich befasse mich mit den Schwachstellen sozialer Netzwerke.« Barr meinte damit, seine Recherchen sollten nur zeigen, wie man Organisationen infiltrieren könne, indem man in den Profilen ihrer Mitglieder bei Facebook, Twitter und LinkedIn herumschnüffelte.
»Ich habe damit nichts zu tun«, schrieb CommanderX berechtigterweise zurück. Er hatte sich die Webseite von HBGary Federal angesehen und wies Barr jetzt darauf hin, dass sie angreifbar aussah. »Ich hoffe, Sie werden für diesen Auftrag gut bezahlt.«
Am Sonntagmorgen, etwa elf Stunden vor dem Anstoß, hatte Tflow die Arbeit an den E-Mails von Barr, Vera und Wallisch abgeschlossen; die Torrent-Datei war fertig zur Veröffentlichung. Jetzt kam das große Vergnügen, Barr zu sagen, was ihm bevorstand. Natürlich würden ihm die Hacker nicht alles sofort sagen. Mehr Lulz brachte es, wenn man zuerst ein bisschen mit ihm herumspielte. Inzwischen wussten sie, dass Barr unter dem Spitznamen CogAnon in Anonymous-Chatrooms zu finden war und dass er in Washington, D. C., lebte. »Wir haben alles von seiner Sozialversicherungsnummer über seine Militärakten bis zu seinen Sicherheitseinstufungen«, schrieb Sabu an die anderen. »Wir wissen sogar, wie oft er am Tag aufs Klo geht.«
Gegen acht Uhr morgens Ostküstenzeit am Sonntagmorgen beschlossen sie, ihm schon mal ein bisschen Angst zu machen. Als Barr sich als CogAnon in das AnonOps-Chatnetzwerk einloggte, schickte Topiary ihm eine private Nachricht. »Hallo«, begann Topiary. »Hi«, schrieb CogAnon zurück. In einem zweiten Chatroom-Browserfenster gab Topiary einen laufenden Kommentar für die anderen Anons ab, die sich darüber totlachten. »Schreib ihm, du suchst Freiwillige für eine neue Mission«, schrieb Sabu. »Aber Vorsicht«, mahnte ein anderer. »Er könnte Verdacht schöpfen.«
Topiary kehrte zu seiner Unterhaltung mit dem Sicherheitsspezialisten zurück. Er gab immer noch vor, CogAnon für einen echten Unterstützer von Anonymous zu halten. »Wir suchen Freiwillige für einen Einsatz im Bereich Washington. Interessiert?« Barr ließ 20 Sekunden verstreichen, dann antwortete er: »Vielleicht. Hängt davon ab, worum es geht.« Topiary kopierte die Antwort zum Mitlesen in den anderen Chatroom. »Hahahahaa«, schrieb Sabu. »Schaut euch an, wie die Schwuchtel mir die Info entlocken will, richtige psychologische Kriegsführung«, schrieb Topiary. »Schwuchtel« wurde in Anonymous-Chatrooms so inflationär gebraucht, dass es nicht einmal mehr als Beleidigung galt.
»Ich sehe an deinem Hostserver, dass du in der Nähe unseres Ziels wohnst«, schrieb Topiary an Barr. In Washington, D. C., stockte Barr der Atem. »Ist das Ziel konkret oder virtuell?«, tippte er. Er wusste natürlich, dass es nur um ein virtuelles Ziel gehen konnte, aber ihm fiel nichts anderes ein. »Ich bin in der Nähe, stimmt ...« Wie genau hatten sie herausgefunden, dass er in D. C. wohnte?»Virtuell«, antwortete Topiary. »Alles an Ort und Stelle.« Dann lies er die Anons wieder mitlesen. »Es wäre zum Totlachen, wenn er jetzt eine E-Mail darüber schreibt«, kommentierte er. Sie konnten gar nicht glauben, was da stand. »DIESER TYP IST EIN SOLCHER IDIOT«, meinte Sabu. »Ich würde ihn am liebsten von hinten vergewaltigen«, entgegnete Topiary. Einen Server zu
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