Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
Steuersünder darf man getrost unter dem Kapitel »Jugend forscht« ablegen – sie endete in einem kleinen Fiasko.
Der Hinweis zur Ermittlung kam von einem Betriebsprüfer. Der Finanzbeamte wohnte in einer kleinen Gemeinde im Spessart und musste jeden Tag auf seinem Weg zum Finanzamt an dem Anwesen eines Handwerkers vorbeifahren. Vor dem Haus standen regelmäßig ein Lamborghini, ein Range Rover und diverse andere teure Fahrzeuge, und durch ein kleines Loch in der festungsgleichen Hecke, die das riesige Grundstück umrandete, blitzte das blaue Becken eines Swimmingpools, der bezüglich seiner Größe durchaus Olympiastandards entsprach.
Dieser Betriebsprüfer hatte das Unternehmen des Sportwagenfahrers aus reiner Neugier unter die Lupe genommen und verschiedene Unregelmäßigkeiten entdeckt. Lebensstil und versteuerte Gewinne dieses Menschen waren einfach nicht in Einklang zu bringen – was aus meiner Erfahrung übrigens einer der häufigsten Fehler von Steuerhinterziehern ist. Vor dem Finanzamt kleine, nur knapp über dem Existenzminimum liegende Erträge angeben und nach außen hin die Lebensführung eines Millionärs zur Schau stellen – so etwas konnte in der Regel auf längere Sicht nicht gut gehen.
Der Finanzbeamte vom Lande hatte sich in diesen Fall festgebissen und war dabei auf dubiose Bankgeschäfte mit Ägypten und dem Sudan gestoßen. Er vermochte das undurchsichtige Finanzkonstrukt des wohlhabenden Handwerkers jedoch nicht restlos zu durchschauen. Irgendwann stand der Betriebsprüfer vor meinem Tisch, reichte mir seine Unterlagen und sagte: »Hier ist etwas faul. Aber ich bekomme diesen Kandidaten mit meinen Mitteln nicht zu fassen – das ist eher etwas für euch Fahnder!«
Nach der Durchsicht sämtlicher Unterlagen, die mir der Finanzbeamte dagelassen hatte, fiel auch mir eine Sache zuallererst ins Auge: Bei dem selbstständigen Handwerker passte in der Tat nichts zusammen. Haus, Anwesen und Fuhrpark und die beim Finanzamt eingereichten Betriebsergebnisse waren nicht kompatibel; zudem hatte der Mann für eine notwendige Firmeninvestition urplötzlich einen hohen sechsstelligen Betrag zur Verfügung, den er mit seinen verbuchten Gewinnen eigentlich kaum besitzen konnte. Wir mussten also durchsuchen – ein Mittel, das ganz am Ende einer Kette von Überprüfungen steht und als Ultima Ratio bei der Aufklärung von Steuerhinterziehungen gesehen werden muss.
Ich hatte mir – wie es der Gesetzgeber verlangt – bei Gericht einen Durchsuchungsbeschluss geholt, und an einem schönen Morgen im Frühherbst klingelten wir am Tor des vornehmen Handwerkeranwesens. Unser Beschuldigter öffnete die Tür und baute sich mit seinen gut 1,90 Metern und geschätzten 120 Kilo Gewicht mit grimmiger Miene vor uns auf. Einer der unschönen Momente im Leben eines Steuerfahnders, aber der Mann sah bedrohlicher aus, als er es in Wirklichkeit war. Er ließ uns ohne weitere Fragen eintreten, sagte kaum ein Wort und beobachtete mit eng zusammengekniffenen Augen, wie wir eine Schublade nach der anderen in seinem Schreibtisch öffneten.
Schon bei der Durchsicht der ersten Unterlagen stieß ich schnell auf einen veritablen Versicherungsbetrug in Zusammenhang mit einem mutmaßlich fingierten Einbruch, aber das hatten andere Stellen zu bearbeiten. Uns interessierte in erster Linie seine Buchhaltung, oder zumindest das, was dieser Mann als Buchhaltung bezeichnete. Nachdem wir alles durchsucht und verschiedene Dokumente in Kartons gepackt hatten, stellte ich dem Hausbesitzer ein paar Fragen zu den großzügigen Investitionen, die er zuletzt in seiner Firma getätigt hatte. Die Erklärung kam umgehend: arabische Geldgeber. Der Handwerker gab uns sogar den Namen eines ausländischen Geschäftspartners: El Kalif aus Kairo. Wir nahmen seine Informationen auf und zogen uns am frühen Nachmittag wieder in unsere Dienststelle zurück.
Die arabischen Geldgeber waren merkwürdigerweise nicht zu identifizieren. Weder im Hotel »InterContinental«, in dem El Kalif angeblich abgestiegen war, noch in der ägyptischen Botschaft, die wir im Zuge unserer Ermittlungen kontaktiert hatten, war irgendein Hinweis auf die Existenz dieses Menschen zu erhalten. Die Spuren führten allesamt ins Nichts, doch es stellte sich ein weiteres Mal heraus, dass unsere natürlichen Gegner – die Steuersünder – in der Regel nicht wissen, welche Spuren ein Steuerfahnder verfolgt und welche Möglichkeiten und Befugnisse er bei seinen Recherchen hat.
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