Inside WikiLeaks
professionell auszuwerten und zu entscheiden, in welcher Form die Ergebnisse publiziert werden sollten – ob nun klassisch als Bericht oder als vollständige Dokumentensammlung.
Auch die Entscheidung darüber, welcher der potentiellen Kooperationspartner die Dokumente erhalten soll, haben wir von äußeren Einflussversuchen entkoppelt. Für uns gibt es in diesem Punkt nur einen, der zu dieser Entscheidung legitimiert ist: die Quelle selbst.
Wenn die Quelle der Meinung ist, ein Dokument sei in der Lokalpresse am besten platziert, dann sollte sie das auch genau so verfügen können. Und wenn sie denkt, die Dokumente wären beispielsweise bei Amnesty International besser aufgehoben, sollte sie auch das bestimmen können. Diese Idee war bereits Grundlage unserer Bewerbung bei der Knight Foundation. Mit OpenLeaks setzen wir sie jetzt in die Tat um.
Auf diese Weise wird es auch gelingen, die Information dorthinzubringen, wo sie die größte Wirksamkeit entfaltet. In einem Fall kann das ein Nachrichten-Medium sein, in einem anderen eine spezialisierte NGO und ein andermal eine Gewerkschaft. Wer kann das besser einschätzen als die Quelle? Nur so können Leaks mit regionaler Bedeutung, etwa zu einem Lebensmittelskandal, ebenso Aufmerksamkeit erhalten wie spektakuläre Dokumente von globaler Relevanz. Niemand würde sich mehr mit der Frage quälen müssen, ob man seine Energien bevorzugt für viele kleine oder wenige große Leaks aufwenden sollte. Die Lösung, die OpenLeaks jetzt bietet, hat für alle Platz.
OpenLeaks ist also anders als WikiLeaks keine Publikationsplattform, sondern konzentriert sich stattdessen ganz auf die erste Hälfte des Whistleblowing-Prozesses: dass Dokumente anonym eingesendet werden können, dass die Quelle geschützt wird und dass die Partner gut mit dem Material arbeiten können. Genau wie WikiLeaks bietet auch OpenLeaks eine Art geschützten Briefkasten an, in den der Whistleblower seine Unterlagen für einen bestimmten Empfänger einwerfen kann. Genau genommen werden wir eine ganze Reihe solcher digitaler Briefkästen anbieten, nämlich für jeden unserer Partner.
Die Quelle kann sich nicht nur aussuchen, in welchen Briefkasten sie ein Dokument einwerfen möchte, sondern gleichzeitig auch bestimmen, wie lange der Empfänger die Dokumente exklusiv auswerten darf. Dieser Mechanismus garantiert, dass eine Einsendung nicht unterschlagen werden kann. Denn nach Ablauf der Frist wird sie zwangsläufig weiteren OpenLeaks-Teilnehmern zur Verfügung gestellt – wenn die Quelle dies möchte.
Es wäre ja naiv anzunehmen, dass Zeitungen, die sich größtenteils über Anzeigen von Unternehmen finanzieren, völlig frei entscheiden könnten, was sie veröffentlichen. Es gibt genug Beispiele, in denen Unternehmen Anzeigenstrecken zurückgezogen haben, weil ihnen ein Artikel über ihr Produkt oder Management nicht gefiel. Ein möglichst breiter Pool an Teilnehmern soll gewährleisten, dass sich am Ende immer jemand finden wird, der wichtige Informationen an die Öffentlichkeit bringt. Das Interesse unter den potentiellen Partner-Organisationen ist groß. Darunter sind übrigens auch diejenigen Redaktionen, die zuvor eng mit WL zusammengearbeitet haben. Und es gibt schon jetzt viele Quellen, die uns gern ihre Dokumente anvertrauen wollen.
Wir hoffen, dass viele mitmachen, auch weil das einen schützenden Nebeneffekt für die gesamte OpenLeaks-Community bringen wird. Ein breites Netzwerk aus Medien, NGO s, Gewerkschaften und anderen unabhängigen Organisationen wird ein starkes Bollwerk gegen alle Angriffe auf das Prinzip solch digitaler Briefkästen bilden. Dieses Prinzip sollte rechtlich genauso stark geschützt sein wie das Briefgeheimnis für Papierpost.
Wenn nun viele starke Partner aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft und der Medienmaschinerie eingebunden sind, wird sich das als ein großer Vorteil erweisen: Sie werden gemeinsam alles dafür tun, dass es den Gegnern des digitalen Whistleblowing nicht gelingen kann, dieses geniale Prinzip aus den Angeln zu heben.
Wir wollen zunächst nur mit einer Handvoll Medien anfangen und dann den Kreis Stück für Stück erweitern. Alles mit genug Ruhe und Bedacht, um unsere Konstruktion in der Praxis überprüfen und weiter optimieren zu können. Die ersten Tests sind für das erste Halbjahr 2011 vorgesehen. Wir wollen keinen Schnellschuss. Wir wollen keine Fehler machen.
OpenLeaks ist auch keine Konkurrenz zu WL. Wir selbst veröffentlichen ja
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