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Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln

Titel: Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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zogen und in der Brust festsetzten. Aber er war kein Hypochonder. Die Gristhorpes waren immer ein robuster Menschenschlag gewesen.
      Reisen würde er gerne, ging ihm durch den Kopf, noch einmal Venedig besuchen, Florenz, Paris, Madrid, und irgendwo hinfahren, wo er noch nie gewesen war - in den Fernen Osten vielleicht oder nach Russland. Aber Reisen kosteten Geld und mit der Pension eines Polizisten würde er nicht weit kommen. Gristhorpe seufzte und nahm Samuel Butler zur Hand. Er musste sich ja nicht heute Abend entscheiden, am besten wartete er noch eine Weile.
      Er hatte den ersten Absatz noch nicht zu Ende gelesen, als das Telefon klingelte. Er kennzeichnete die Seite mit einem Lederband und legte das Buch weg, stand dann auf und ging in die Diele. Es war Sergeant Rowe vom Revier. Er hatte von Susan Gay die Nachricht erhalten, dass ein Kind aus der Wohnsiedlung im Osten Eastvales vermisst wurde. Könnte der Superintendent so schnell wie möglich ins Revier kommen? Über das Telefon erhielt Gristhorpe kaum weitere Einzelheiten, nur so viel, dass das Kind von einem Mann und einer Frau mitgenommen worden war, die sich als Sozialarbeiter ausgegeben hatten, und dass es seit über einem Tag verschwunden war. Während er zuhörte, wie Sergeant Rowe die Nachricht mit seiner tiefen, emotionslosen Stimme übermittelte, lief Gristhorpe ein Schauer über den Rücken.
      Grimmig zog er seine Tweedjacke an und ging nach draußen zu seinem Wagen. Mittlerweile war es stockdunkel, unten am Talhang funkelten die Lichter von Lyndgarth. Gristhorpe fuhr durch das Dorf, an der gedrungenen St.-MaryKirche vorbei und bog dann auf die Hauptstraße nach Eastvale ab. Es war eine Strecke, die er unzählige Male zurückgelegt hatte, er fuhr daher mechanisch und brauchte nicht mehr an die Schlaglöcher und Kurven zu denken. Normalerweise würde er selbst im Dunkeln einen kurzen Blick auf bestimmte Punkte der Route werfen, auf die Lichter des alten Lister-Hauses hoch oben auf den gegenüberliegenden Berghängen oder auf die sechs windschiefen Bäume auf der kleinen Lichtung im Westen; aber dieses Mal war er zu sehr in Gedanken, um auf die Landschaft zu achten.
      Während er sich den Lichtern Eastvales näherte, kam ihm der lange Samstag im Oktober 1965 in den Sinn, als er und ein Dutzend anderer junger Polizisten im Nieselregen und im beißenden Wind fünfhundert Meter hoch in den Pennines gestanden und ihre Befehle erhalten hatten. In ihren Anoraks und Gummistiefeln hatten sie in der Kälte des Spätherbstes auf der Hochebene des Saddleworth-Moores gezittert und sich darüber beklagt, dass sie das samstägliche Fußballspiel verpassten. Allein dort oben zu sein, dem unheilvollen Wind, dem Regen und dem düsteren Licht ausgesetzt und mit diesen Felsnasen ringsum, die wie verfaulte Zähne in den Himmel ragten, war schon unheimlich genug. Den ganzen Tag hatten sie gesucht, hatten sich durch den Schlamm und den Torf gekämpft, von halb zehn Uhr morgens bis nach drei Uhr am Nachmittag. Dann hatte der Regen aufgehört, es war etwas wärmer geworden und das Moor lag in leichten Nebel gehüllt.
      Plötzlich hatte Gristhorpe in der Entfernung den Ruf eines Mitglieds ihres Suchtrupps gehört, eines jungen Mannes, so erinnerte er sich, der gerade die Ausbildung absolviert hatte und eben stehen geblieben war, um auf seinen Fund hinzuweisen. Alle, die in seiner Nähe waren, wie Gristhorpe, eilten zu ihm und beobachteten mit zunehmendem Entsetzen, wie Sergeant Eckersley den festsitzenden Torf vom Knochen eines Kinderarmes kratzte. Nach und nach kam ein Kopf zum Vorschein. Eckersley hatte innegehalten und nach den Beamten der Spurensicherung geschickt und schon bald waren wie aus dem Nichts der stellvertretende Polizeipräsident sowie Gerichtsmediziner, Fotografen und Joe Mounsey - eben der ganze Haufen - aufgetaucht.
      Sie hatten Segeltuchblenden aufgestellt und alle Anwesenden außer den hohen Tieren und den Leuten von der Spurensicherung hatten zurücktreten müssen. Als der Arzt den Dreck abgekratzt hatte und die Kameralichter aufblitzten, wurde die ganze grausige Entdeckung offenbar. Durch einen Riss im Segeltuch erhaschte Gristhorpe nur einen kurzen Blick auf die Leiche, aber der reichte völlig aus.
      Sie hatten nach einem Jungen namens John Kilbride gesucht, aber was sie gefunden hatten, war die schon fast skelettierte Leiche eines Mädchens, das mit einem über den Kopf erhobenen Arm auf der Seite lag. Zu seinen Füßen befanden

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