Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
ist?«
»Genau. Was ist, wenn wir Ihre Haare auch auf Ellen Gilchrists Kleidung finden und Ellen Gilchrists auf Ihrer?«
Clayton fuhr sich mit der Zunge über seine Lippen. »Ich habe sie nie im Leben gesehen. Hören Sie, ich weiß nicht, auf welcher Grundlage Sie zu dieser Annahme kommen, aber ...«
Banks ließ eine Kopie von Deborahs Tagebuch vor ihm auf den Tisch fallen. »Lesen Sie das«, sagte er.
Clayton las.
Als er das Tagebuch weglegte, zitterten seine Hände. »Fantasie«, sagte er, darum bemüht, gelassen zu klingen. »Was sagt das schon? Es könnte von jedem handeln.«
»Ich bitte Sie, Michael«, sagte Banks. »Es ist vorbei. Geben Sie es zu. Sie wissen, was passiert ist. Sie haben gerade ihre Darstellung gelesen. Deborah hat Ihre Texte gelesen und herausgefunden, dass Sie sie heimlich begehrt haben, seit sie zwölf war. Diese Vorstellung hat sie gleichzeitig schockiert und erregt. Aber nur die Vorstellung. Sie fühlte sich geschmeichelt, aber sie war noch viel zu sehr Kind, um zu verstehen, wie ernst es Ihnen war. Und sie hatte sowieso ein bisschen für Sie geschwärmt. Also hat sie Sie provoziert, ein bisschen so getan, als wäre sie verliebt, ein bisschen geflirtet. Genau so, wie es junge Mädchen manchmal tun, wenn sie wissen, dass ein Junge sie mag, und sie mit ihm spielen. War es so, Michael?«
»Das ist absurd. Sie beleidigen nicht nur mich, Sie beschmutzen auch das Andenken meines Patenkindes.« Er schaute sich wieder nach Riddle um. »Sir Geoff...«
Doch Banks schnitt ihm das Wort ab. »Beschmutzen? Das ist ein schönes Wort, Michael. Gefällt mir. Beschmutzen. Klingt unanständig. Und nach Privatschule. Dann lassen Sie uns über beschmutzen reden. Als schließlich klar geworden war, dass Sie Deborah nicht in Ruhe lassen würden, hat sie gedroht, es ihrem Vater zu erzählen. Sie wussten, dass Sir Geoffrey Sie wahrscheinlich umbringen würde, wenn er es herausfindet. Allermindestens hätte es das Ende Ihrer geschäftlichen Beziehungen bedeutet. Und die bedeuteten Ihnen eine Menge, nicht wahr, Michael? Die beiden Kumpels aus Oxford, nach all den Jahren immer noch unzertrennlich. Sir Geoffreys Freundschaft bedeutete Ihnen ebenfalls eine Menge, aber sie konnte Sie nicht davon abhalten, seine zwölfjährige Tochter zu begehren, ein Mädchen, das noch nicht einmal geboren war, als Sie beide sich kennen gelernt hatten.«
Clayton starrte ihn zornig an, alle Farbe wich aus seinem Gesicht. »Das werden Sie bereuen«, sagte er und warf dann einen Blick zu Gristhorpe und Riddle. »Wenn Sie nicht sofort damit aufhören, werden Sie alle das bereuen.« Banks konnte fast hören, wie Claytons Zähne knirschten.
Gristhorpe sagte nichts. Riddle polierte seine Knöpfe mit einem jungfräulichen weißen Taschentuch.
»Sie haben auf dem Friedhof von St. Mary's auf Deborah gewartet«, fuhr Banks ruhig fort. »Sie haben an diesem nebligen Montagabend im Gebüsch gewartet, denn Sie wussten, dass sie vom Schachklub allein nach Hause gehen würde. Sie wollten sie packen und in die Büsche ziehen, doch als Sie sahen, dass sie den Kiesweg nahm, folgten Sie ihr zum Inchcliffe-Mausoleum, entrissen ihr den Ranzen und erwürgten sie mit dem Riemen. Vielleicht wusste Deborah, dass Sie es waren, vielleicht auch nicht. Vielleicht haben Sie vorher mit ihr gesprochen und versucht, sie zu überreden, nichts zu sagen, vielleicht auch nicht. Aber so ist es passiert, nicht wahr, Michael?«
»Ich sage nichts mehr.«
»Sie haben nicht gewusst, dass Deborah ihr Tagebuch holen wollte, das sie seit dem Sommer dort versteckt hatte, nicht wahr? Ach, Michael, wenn Sie nur geduldig gewesen wären, ihr ein paar Augenblicke Zeit gelassen hätten, dann hätte Deborah Sie geradewegs zu ihrem Versteck geführt und Sie würden wahrscheinlich jetzt nicht hier sitzen. Ist es so gewesen?«
»Ich werde Ihre Anschuldigungen nicht noch mit einer Antwort würdigen.«
»Als Deborah Ihnen erzählte, dass sie Ihre Texte im Computer gelesen hatte, hat sie Ihnen nicht erzählt, dass sie die Datei auf eine Diskette kopiert hat, oder? Aber Sie wussten, dass sie einmal ein Tagebuch hatte. Sie haben es ihr selbst geschenkt. Das ist auch so eine Ironie, nicht wahr, Michael? Sie wussten, dass Deborah Sylvie erzählt hatte, sie hätte das Tagebuch verloren, aber es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn Sie Deborahs Zimmer gründlich durchsucht haben, nachdem Sie sie umgebracht hatten. Sie
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