Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
vergangenen Montag war sie kaum vor der Tür gewesen. So stark konnte sie sich nicht verändert haben, seit sie dem Laden das letzte Mal einen Besuch abgestattet hatte.
Sie stieg hoch zu ihrer Wohnung über dem Frisör. Als sie den Schlüssel umdrehte und eintrat, fiel ihr zum ersten Mal der Geruch auf. Und die Unordnung. Man merkt es gar nicht, wenn man mittendrin lebt, dachte sie, erst wenn man rausgeht und wiederkommt. Überall lagen schmutzige Klamotten herum, halbleere Kaffeetassen schimmelten vor sich hin, die Blume auf der Fensterbank war eingegangen und verwelkt. Es stank nach ungewaschener Haut, nach faulem Kohl, nach Schweiß und Gin. Und teilweise, stellte sie fest, als sie an ihrer Achselhöhle roch, kam es von ihr.
Janet schaute in den Spiegel. Sie wunderte sich nicht über ihre strähnigen, matten Haare und die dunklen Ringe unter den Augen. Schließlich hatte sie in letzter Zeit kaum geschlafen. Sie machte nur ungern die Augen zu. Denn sofort spielte ihr Kopf den Film ab. Ihr war nur dann ein wenig Ruhe vergönnt, wenn sie genug Gin getrunken hatte, um ein oder zwei Stunden lang wegzudösen. Dann kamen keine Träume, dann war sie im Nichts. Aber sobald sie aus dem Zustand erwachte, waren Erinnerung und Depressionen wieder da.
Eigentlich war ihr egal, was mit ihr passierte. Wenn nur die Albträume - im Schlaf und wenn sie wach war - verschwinden würden! Sollten sie sie rausschmeißen, ihretwegen auch in den Knast stecken. Es war ihr egal, wenn doch nur die Erinnerung an jene Nacht im Keller ausgelöscht würde. Gab es keine Apparate oder Medikamente, die das konnten, oder hatte sie das nur im Kino gesehen? Na ja, immerhin ging es ihr noch besser als Lucy Payne, sagte sich Janet. Den Rest des Lebens an den Rollstuhl gefesselt. Vom Hals abwärts gelähmt, wie sie gehört hatte. Aber das hatte sie sich selbst zuzuschreiben. Janet dachte daran zurück, wie Lucy im Flur gelegen hatte, an die Blutlache unter ihrem verletzten Kopf. Sie erinnerte sich an ihre Sorge um die misshandelte Frau, an ihre Wut auf Dennis' männlichen Chauvinismus. Wie sehr der Schein trügt. Jetzt gäbe sie alles dafür, Dennis zurückzubekommen. Querschnittlähmung schien ihr eine zu milde Strafe für Lucy Payne.
Janet zog ihre Sachen aus und ließ sie auf dem Boden liegen. Sie wollte baden, hatte sie sich überlegt. Vielleicht ging es ihr danach besser. Zuerst goss sie sich ein großes Glas Gin ein und nahm es mit ins Badezimmer. Sie drückte den Pfropfen in den Abfluss und drehte die Hähne auf. Als sie die richtige Temperatur gefunden hatte, goss sie eine Verschlusskappe Schaumbad hinzu. Sie betrachtete sich im langen Spiegel an der Badezimmertür. Ihre Brüste waren schlaffer geworden, die bleiche Haut um den Bauch legte sich in Falten. Früher hatte sie immer viel Wert auf ihren Körper gelegt, hatte mindestens dreimal die Woche im Fitnessraum der Polizei trainiert, war gejoggt. Seit ein paar Wochen nicht mehr.
Bevor sie ins Wasser stieg, holte sie schnell noch die Ginflasche und stellte sie auf den Badewannenrand. Sie hätte sie eh bald holen müssen. Schließlich ließ sie sich in die Wanne gleiten und vom Schaum am Hals kitzeln. Wenigstens wurde sie jetzt sauber. Das war schon mal ein Anfang. Dann konnte kein Kassierer mehr blöd fragen, ob alles in Ordnung ist, dann würde sie nicht mehr riechen. Was die Ringe unter den Augen anging, nun, die würden nicht über Nacht verschwinden, aber sie würde was dagegen unternehmen. Und die Wohnung aufräumen.
Andererseits, dachte sie nach einem großen Schluck Gin, lagen im Badezimmerschrank Rasierklingen. Sie musste nichts weiter tun, als aufstehen und sie nehmen. Das Wasser war schön heiß. Sie wusste, dass es nicht wehtun würde. Ein schneller Schnitt an jedem Handgelenk, dann die Arme ins Wasser legen und das Blut herausströmen lassen. Es wäre wie Einschlafen, nur würde sie nichts träumen.
Eingehüllt in den warmen, zarten Schaum, fielen ihr die Augen zu. Sie konnte sie nicht offen halten. Und schon war sie wieder in dem stinkenden Keller, und Dennis' Blut spritzte herum und dieser wahnsinnige Payne ging mit der Machete auf sie los. Was hätte sie anders machen sollen? Das war die Frage, auf die ihr niemand eine Antwort geben konnte oder wollte. Was hätte sie tun sollen?
Sie riss sich aus den Gedanken und rang nach Luft. Zuerst sah die Badewanne aus, als sei sie voller Blut. Janet griff nach dem Gin, stellte sich ungeschickt an und
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