Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
Tür, so gut es ging, kniete sich neben die Frau und fühlte ihren Puls. Schwach, aber gleichmäßig. Das Gesicht war blutüberströmt.
»Mein Gott«, murmelte Janet. »Denny? Alles klar?«
»Schon gut. Pass auf sie auf! Ich guck mich mal um.« Dennis ging nach oben.
Ausnahmsweise störte es Janet nicht, Anweisungen zu erhalten. Auch ärgerte sie sich nicht, dass Dennis automatisch davon ausging, es sei Frauensache, das Opfer zu versorgen, und der Mann breche zu ruhmreichen Taten auf. Na gut, es störte sie schon, aber sie sorgte sich ehrlich um die Verletzte, deshalb wollte sie keine Diskussion vom Zaun brechen.
So ein Schwein, dachte sie. Der das getan hat. »Es ist alles gut«, sagte sie, obwohl die Frau vermutlich nichts hörte. »Wir rufen einen Krankenwagen. Ganz ruhig.«
Das meiste Blut kam scheinbar aus einer tiefen Wunde direkt über dem linken Ohr, auch wenn ein bisschen um Nase und Lippen verschmiert war. Sah nach Schlägen aus. Um die Frau herum lagen Scherben und Narzissen, auf dem Teppich war ein nasser Fleck. Janet nahm ihr Funkgerät aus der Koppel und rief einen Krankenwagen. Sie konnte von Glück sagen, dass es hier oben auf der Straße funktionierte; die UHF-Geräte hatten eine deutlich geringere Reichweite als die in die Streifenwagen eingebauten UKW-Modelle und standen in dem Ruf, die Funklöcher im Empfangsgebiet geradewegs zu suchen.
Dennis kam kopfschüttelnd zurück nach unten. »Oben versteckt sich der Dreckskerl nicht«, sagte er. Mit dem Kopf auf die Ohnmächtige deutend, reichte er Janet eine Decke, ein Kopfkissen und ein Handtuch. »Hier.«
Janet schob der Frau das Kissen unter den Kopf, breitete vorsichtig die Decke über sie und drückte das Handtuch auf die blutende Wunde an der Schläfe. Jetzt bin ich aber baff, dachte sie. Immer für eine Überraschung gut, unser Denny. »Glaubst du, er hat sich verdrückt?«, fragte sie.
»Keine Ahnung. Ich guck mal hinten nach. Bleib du hier, bis der Krankenwagen kommt.«
Ehe Janet etwas erwidern konnte, steuerte Dennis auf den hinteren Teil des Hauses zu. Er war keine Minute verschwunden, da hörte sie ihn rufen: »Janet, komm mal her und guck dir das an! Schnell! Das kann wichtig sein.«
Janet war neugierig. Sie warf einen Blick auf die Verletzte. Die Wunde blutete nicht mehr, im Moment konnte sie für die Frau nichts weiter tun.
»Los, komm!«, rief Dennis wieder. »Schnell!«
Janet sah sich noch einmal nach der liegenden Gestalt um und ging nach hinten. Die Küche war dunkel.
»Hier unten.«
Sie konnte Dennis nicht sehen, nur hören. Hinter einer Tür zu ihrer Rechten führten drei Stufen zu einem Treppenabsatz, der von einer nackten Birne erleuchtet wurde. Durch eine zweite Tür gelangte man wohl in die Garage, und um die Ecke führte eine Treppe in den Keller hinunter.
Unten stand Dennis vor einer dritten Tür, auf der das Poster einer nackten Frau klebte. Sie lag mit weit geöffneten Beinen auf einem Messingbett, zog mit den Fingern die Schamlippen auseinander und lächelte den Betrachter über ihre dicken Brüste hinweg an, lud ihn ein, lockte ihn herein. Dennis stand davor und grinste.
»Du Schwein!«, zischte Janet.
»Verstehst du keinen Spaß?«
»Das ist nicht witzig.«
»Was das wohl zu bedeuten hat?«
»Weiß ich nicht.« Unter der Tür schien Licht hervor, schwaches, flackerndes Licht wie von einer fehlerhaften Glühbirne. Außerdem roch es sonderbar. »Was riecht denn hier so?«, fragte Janet.
»Woher soll ich das wissen? Schimmelige Wände? Abflussrohre?«
Aber für Janet roch es nach Fäulnis. Fäulnis und Sandelholz. Ein Schauder überlief sie.
»Sollen wir reingehen?«, fragte sie flüsternd, ohne zu wissen, warum.
»Ich denke, ja.«
Janet ging die wenigen letzten Stufen auf Zehenspitzen hinunter. Jetzt schlug ihr das Herz bis zum Hals. Langsam streckte sie die Hand aus und versuchte, die Tür zu öffnen. Verschlossen. Sie ging aus dem Weg, und diesmal nahm Dennis den Fuß. Das Schloss brach heraus, die Tür schwang auf. Dennis machte einen Schritt zur Seite, verbeugte sich wie ein höflicher Kavalier und sagte: »Ladies first.«
Janet betrat den Keller. Dennis war dicht hinter ihr.
Ihr blieb nur Zeit für einen flüchtigen Eindruck: viele Spiegel, auf dem Boden unzählige brennende Kerzen um eine Matratze, darauf ein nacktes, gefesseltes Mädchen, etwas Gelbes um den Hals, ein trotz
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