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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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und gern eine Million Pfund wert sein mochten; und obwohl alles gerammelt voll stand, hatte Trueblood für seine kostbare Erwerbung, einen Klappsekretär aus Rosenholz mit Messinggriffen, noch Platz gefunden.
    So sehr er auch klagte, Trueblood ließ sich von niemandem übers Ohr hauen; nach Melrose und Vivian Rivington war er der reichste Einwohner von Long Pidd. Er hatte eine Nase für den Markt, die eher einer natürlichen Gabe und nicht geschäftlichem Scharfsinn entsprungen war; als kein Mensch Empire mit der Heugabel anrühren wollte, kaufte er es überall auf und verdiente damit ein kleines Vermögen. Mit der Spürnase eines Bluthundes und den Geschäftsmethoden eines Börsenmaklers lagerte er Eiche ein, als alle Welt welche kaufte, und wartete, bis sie nicht mehr und dann wieder in Mode war.
    Trueblood zeigte Jury den secrétaire , während Melrose durch den Laden schlenderte, vorbei an einer Jadesammlung und einem Teetischchen, dessen Kauf er in Erwägung zog.
    «Sie haben ja keine Ahnung, was ich alles durchmachen mußte, ehe ich ihn Lady Summerstons Klauen entreißen konnte.» Er steckte einen kleinen Schlüssel in das messinggefaßte Schlüsselloch oben in der jetzt hochgestellten Schreibplatte.
    «Ein Klappsekretär, ja?» fragte Jury.
    «Ein secrétaire à abattant . Dazu gibt es noch eine passende Kommode, doch von der wollte sie sich nicht trennen. Sie wohnt in dieser großartigen, ein bißchen verfallenen Villa namens Watermeadows», sagte Trueblood und klappte die Schreibplatte herunter, worauf eine Reihe von Fächern und winzigen Schubladen zum Vorschein kam.
    «Sehr hübsch. Muß etwas aufgearbeitet werden», sagte Melrose. «Und ein paar von den Fächern müßte man reparieren. Sieht mir ganz nach Trockenfäule aus –» Er steckte den Finger hinein.
    Trueblood seufzte, «Viertausend hat mich der gekostet, und alles, wovon Sie reden, ist Trockenfäule.»
    Melrose spähte in ein anderes Fach und trat dann einen Schritt zurück. Er kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. «Ich glaube –» Seine Stimme wollte ihm nicht gehorchen. Er räusperte sich. «Sie haben da, glaube ich, etwas mehr als nur Trockenfäule. Bitte, werfen Sie mal einen Blick hinein», sagte er zu Jury.
    Jury spähte in das Fach, fuhr zurück und zog Trueblood rasch das blütengleiche, gelbe Taschentuch aus der Tasche.
    Erstaunt sagte Trueblood: «Was zum Teufel …?» Er schob sich zwischen Melrose und die Fächer, fuhr jedoch rasch wieder herum und drehte dem secrétaire den Rücken zu. «Ein Auge. Da drinnen liegt ja ein Auge .»
    Jury nahm das Taschentuch in beide Hände und zog langsam den gesamten Satz Fächer und Schubladen heraus.
    Das hellblaue Hemd, das der Rumpf anhatte, war mit Blutflecken getüpfelt. Der Kopf fiel mit einem Krach vornüber auf die Schreibplatte von Truebloods viertausend Pfund teurem secrétaire à abattant.

7
    «S IMON L EAN », sagten Melrose und Trueblood einstimmig, und alle drei traten einen Schritt zurück, wobei Melrose eine Lalique-Vase umstieß, die er gerade noch auffangen konnte, ehe sie zu Bruch ging.
    Jury musterte den Hals und die Oberarme. Die Totenstarre war schon abgeklungen, was bedeuten konnte, daß er seit zwölf Stunden tot war, seit spätabends oder frühmorgens. Jury wußte, wie wenig zuverlässig solche Schätzungen waren. «Rufen Sie den Arzt hier im Ort an.»
    «Carr? Mein Gott, doch nicht den. Der ist halb blind –»
    «Und wenn schon», sagte Jury und runzelte die Stirn.
    «Schon gut.» Melrose bewegte sich auf das Telefon zu.
    «Er heißt also Simon Lean?» fragte Jury Trueblood, der auf einem kleinen Sofa zusammengebrochen war und so tief in den Daunenkissen vergraben lag, daß es den Anschein hatte, er würde nie wieder hochkommen.
    «Watermeadows. Ja. Da wohnt er. Wohnte. Wohnte. Wieso ist er denn nicht dort? Was zum Teufel hat er in meinem secrétaire zu suchen?» Trueblood wollte anscheinend weiteren Einspruch gegen die Entweihung seiner Räumlichkeiten erheben, schaffte es aber nicht und brachte nur noch ein Armgefuchtel zustande. «Ich habe einen Schreibtisch gekauft und keine Leiche; die geht zurück.»
    «Wo hat dieser secrétaire gestanden?»
    «Wo?» Trueblood starrte immer noch wie hypnotisiert auf den Anblick, der sich ihm bot: der Rumpf von Simon Lean, der auf der Schreibplatte lag, als wäre er über einem langweiligen Brief eingeschlafen. «Auf Watermeadows natürlich. Nicht im Haus selbst; im Sommerhaus, wie sie es nennen. Als Staubfänger. Ich

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