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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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kam ganz zufällig vorbei und warf einen Blick hinein. Die alte Lady schwimmt nur so in unschätzbar wertvollen Stücken aus dem späten achtzehnten Jahrhundert –»
    «Moment mal, Marshall. Sie kamen ‹zufällig vorbei›, sagten Sie? … Was machen Sie denn da?» Das galt Melrose, der noch einmal wählte.
    «Was ich mache? Ich rufe Pluck an.»
    «Legen Sie sofort auf.»
    «Aber er muß doch Northampton –»
    «Lassen Sie das.» Er wandte sich wieder Trueblood zu. «Fahren Sie fort.»
    «Als ich diesen secrétaire à abattant gesehen hatte – etwas, hinter dem ich schon seit Jahr und Tag her bin –, da dachte ich bei mir, ich gehe mal zum Haupthaus und versuche, ihn Lady Summerston abzuschwatzen. Die alte Dame ist schrecklich gefühlsduselig, was ihre Besitztümer angeht; vorausgesetzt, sie gehörten ihrem heißgeliebten Seligen. Ebensogut könnte man Muscheln von einem Schiffsrumpf abkratzen. Haben Sie eine Ahnung, was ich für einen Ulysses hinlegen mußte, limitierte Auflage, den sie nicht herausrücken wollte –» Trueblood fuhr herum. «Mein Gott, die Bücher? Wo sind sie, und wo ist es?»
    «Lassen wir die im Augenblick mal alle beiseite –»
    « Alle beiseite? Sie haben sie wohl nicht mehr alle. Glauben Sie etwa, daß ein Buch von Joyce mit Radierungen von Matisse –»
    «Und einer Leiche von Trueblood», sagte Melrose mit einem lieblichen Lächeln. «Ich würde James Joyce mal kurz vergessen.»
    «Und auf den Besuch zurückkommen», sagte Jury.
    «Das war alles. Wir haben auf ihrem Balkon Tee getrunken und geplaudert, vornehmlich über die Vergangenheit. Ihre, nicht meine. Und nachdem sie noch einen Tausender mehr aus mir herausgequetscht hatte, habe ich mit ihr abgesprochen, wann ihn die Möbelpacker heute morgen abholen sollten.» Truebloods Blick fiel auf die Leiche in dem secrétaire , und er erschauerte. «Was auch geschah. Schicken wir ihn zurück.» Er lächelte schwach.
    «Ist das alles?» fragte Jury, der die Wunde untersuchte. Es handelte sich um eine Stichwunde, die aber nicht so aussah, als ob sie von einem gewöhnlichen Messer stammte. «Wer wußte sonst noch, daß er heute morgen abgeholt werden sollte?»
    «Möglicherweise der alte Butler. Die Enkeltochter vielleicht, obwohl ich das bezweifeln möchte. Sie scheint sich nicht viel blicken zu lassen.»
    «Aber die Möbelpacker mußten sich doch beim Haus melden?»
    «Nein. Es gibt da eine Art Parkbucht und eine kurze Straße, die bis auf hundert Meter ans Sommerhaus heranführt. Die dürften sie benutzt haben.»
    «Sie grenzt an mein Grundstück», sagte Melrose. «Das heißt, meine Ländereien und die von Watermeadows gehen praktisch ineinander über. Abgesehen von diesem Feldweg gibt es keine Grenzlinie. Nur noch den Fußpfad.»
    «Mit anderen Worten, jeder hat Zutritt.»
    Beide nickten.
    Jury ließ von der Untersuchung der Wunde ab. «Gut. Das heißt, es war für jeden x-beliebigen ein leichtes, in dieses Sommerhaus zu gelangen, genau wie der gute Marshall einfach so hineinspaziert ist. Aber wenn dort so wertvolle Stücke standen, wieso war es dann nicht abgeschlossen?»
    «Das hier ist nicht London, altes Haus. Hier herum sorgt man sich nicht so um seine Sachen.»
    «Ach ja?» Jury deutete mit dem Kopf zum Leichnam. «Das können Sie mir nicht weismachen.»
    Trueblood fuhr fort: «Lady S. ist nicht besonders raffgierig. Abgesehen von bestimmten Dingen, die ihrem Seligen gehört haben, macht sie sich, glaube ich, nicht viel aus Besitz.»
    «Rufen Sie den Wachtmeister an», sagte Jury zu Melrose.
    «Wurde aber auch Zeit», sagte Melrose. «Sie verschleppen nämlich eine Morduntersuchung, bis wir unsere Geschichte auf der Reihe haben», setzte er mit einem grimmigen Lächeln hinzu.
    «Haben Sie sich soweit gefangen, daß Sie nun auch die Ihre erzählen können, Marshall? Wo ist die Rechnung?»
    Trueblood ging zu einem schön geschnitzten Schreibtisch und fing an, Schubladen aufzureißen. Mittlerweile hatte Melrose auf einer mit rosefarbenem Samt bezogenen Bank Platz genommen und versuchte, es sich auf dem schmalen Ding bequem zu machen.
    «So passen Sie doch auf!» sagte Trueblood. «Sie zerbrechen mir ja das Spode-Porzellan.» Und zu Jury: «Einen Augenblick noch. Sie sind ganz schön auf dem Holzweg, wenn Sie mich, ausgerechnet mich, verdächtigen.»
    «Wäre ja auch ein wenig leichtfertig von Ihnen gewesen, was?» fragte Melrose. «Sich den Leichnam selbst sozusagen im Paket zustellen zu lassen?»
     
     
    Superintendent Pratt stand

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