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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Handgelenk, das er aus dem Wasser zog, mußte tödlich sein. Als er am Hals ihren Puls fühlte, spürte er noch einen Hauch von Leben. Ihre Haut war so durchscheinend, daß er meinte, durch sie hindurch das Wasser des Sees zu sehen.
    Sie machte anscheinend den Versuch, etwas zu sagen, und so beugte sich Jury tiefer zu ihr herunter.
    «Ich bin nicht sie.» Ihr Kopf rollte zur Seite, fiel ihm auf die Schulter.
    Er nahm sie in die Arme und legte das Gesicht in ihr Haar.
    Doppeldeutig bis zum Ende.

37
    I N DEN «F ÜNF G LOCKEN und dem Schulterblatt» lehnte Jury an der Bar und wartete, bis Tommy Diver ein paar Hände geschüttelt und Lebewohl gesagt hätte. Er steckte fünf Zehn-Pence-Stücke in die Jukebox und wandte sich mit seinem leeren Glas zur Bar. Molly mußte die Kundschaft zusammengetrommelt haben. Das Geschäft blühte; alles aus der Commercial Road, was Beine hatte, schien hier gelandet zu sein. Er konnte Tommy im hinteren Teil des Pubs kaum noch sehen, wo natürlich eine Partie Poker oder Rommé im Gang war. Wieviel Geld dem Jungen wohl geblieben sein mochte?
    Kath kreuzte auf, materialisierte sich vor seinen Augen aus dem Rauch; sie schien gewillt, spendabel mit guten Ratschlägen zu sein, wenn er ebenso spendabel mit Bier war. Er gab eine Runde aus. «Hauptsache, du tust wählen, scheißegal wen. Bloß nich den da –» sie deutete auf das Foto eines schweinsgesichtigen Gentleman – «wo sich nämlich für denselben Wahlbezirk wie ich hat aufstell’n lass’n. Das is’n Langfinger und Rumhurer.» Heute trug sie drei Hüte, Mieteinnahmen aus ihrem Parkbesitz: einen Sombrero, einen Schlapphut und als Krönung eine Rugbymütze.
    «Ich werde daran denken», sagte Jury und steckte das Flugblatt in die Tasche.
    Jack Krael starrte in die Luft und fragte: «Sindse mit dieser Sadie Diver weitergekommen?»
    «Ja.» Jury legte Geld auf den Tresen und bedeutete Molloy, Jack nachzuschenken. «Ich glaube, die Sache ist so ziemlich abgeschlossen.»
    Jack drehte sich zu Jury um. «Is doch wohl nich Ruby gewesen, wa? Die hat – äh – den Kerl gekannt, und da wurde so gemunkelt …»
    «Nein, bestimmt nicht. Die ist ganz außen vor.»
    «Gut.» Nachdem das geklärt war, richtete er den Blick wieder in die Luft. Jury stand mit dem Rücken zur Bar und hörte wieder Linda Ronstadt, die immer noch versuchte, nach Hause, zum Bayou, zu kommen: «Spare Pfennige, spare Groschen …»
    Schließlich sagte Jack: «Wenn die’s nich war, wer dann? Oder dürf’n Se das nich sag’n? Se dürf’n woll nich.»
    Jury schwieg einen Moment und lauschte den Beschreibungen der Fischerboote. «Niemand, den Sie kennen. War fremd hier.» Er drückte die Zigarette im Aschenbecher aus.
    «So ’n Pech aber auch für den Jungen.» Jack drehte sich eine Zigarette, kniffte das Ende zusammen und klopfte seine Taschen nach Streichhölzern ab.
    Jury gab ihm Feuer. «Ja, kann man wohl sagen.» Er warf das abgebrannte Streichholz fort. «Also, dann wollen wir mal wieder.»
    Jack streckte ihm die Hand hin. «War mir ’n Vergnügen. Komm’n Se doch mal wieder.»
    «… und sei wieder glücklich.»
     

    «Danke», sagte Jury.

V IERTER T EIL
    I CH MACH DEN F ITSCH ,
K LINGT ’ S VON S HOREDITCH
     

38
    E INE W OCHE SPÄTER .
    Major Eustace-Hobson, Friedens- und Dorfrichter, schaffte es, die Augen gerade so lange offenzuhalten, daß er Lady Ardry zum x-ten Male bedeuten konnte, sie solle aufhören, ihn «M’Lord» zu titulieren. Das gezieme sich nicht bei dieser Art Fall. Er vergaß allerdings zu erwähnen, daß er gar kein Lord war. Dann sank er wieder auf seinen Stuhl zurück, die kleinen Hände über dem festen Pampelmusenbäuchlein gefaltet.
    Agatha kann wirklich von Glück sagen, dachte Melrose. Er saß zwischen Vivian und Jury in dem alten Klassenzimmer, welches durch die Anwesenheit von rund dreißig Zuschauern schon recht gut aufgeheizt war. Major Eustace-Hobson war bekannt für schlaftrunkene Rechtspflege, wann immer er so wie heute seiner Pflicht nachkam. Er gehörte nicht zu den Leuten, die da meinten, daß Großbritannien immer schon eine Nation von Schlächtern gewesen sei, das Wohlergehen des Königreichs hinge von dessen ausreichender Versorgung mit Lebensmitteln ab.
    Mit anderen Worten, er war ein gräßlicher Snob, der Mr. Jurvis’ Einwendungen beiseite wischte und Agatha langatmige Ausführungen zugestand.
    In Ermangelung von Sir Archibald hatte sich Agatha zu ihrem eigenen Rechtsbeistand erklärt und gab nun ihr Bestes, dem

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