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Inspektor Jury steht im Regen

Inspektor Jury steht im Regen

Titel: Inspektor Jury steht im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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bei den Winslows erwartet und fahre dann nach London zurück. Warum kommen Sie nicht mit?»
    Melrose schüttelte den Kopf. «Nein, ich glaube nicht.» Er hielt eines der beiden kleinen auf dem Tisch liegenden Fotos in die Höhe, legte es wieder hin und hielt das andere hoch. Er hielt es auf Armeslänge von sich entfernt, zog es wieder heran und streckte erneut den Arm aus. Er kratzte sich am Kopf und schnitt eine Grimasse. «Diese Kellnerin im Little Chef. Was genau hat sie noch gesagt, als Sie ihr den Zeitungsausschnitt mit dem Foto von Marr zeigten?»
    «Macalvie hat ihn ihr gezeigt. Mary Higgins sagte, er – das heißt David – sehe irgendwie bekannt aus. Also schickte Macalvie einen gutaussehenden, dunkelhaarigen Polizisten zum Kaffeeholen rein, einen Mann von Marrs Größe und Statur, und sie meinte, er käme ihr auch irgendwie bekannt vor. Macalvie glaubt, daß sie einfach zu bemüht war.»
    Melrose griff wieder nach dem Foto der Winslows. «Trotzdem ist die Sache irgendwie komisch.»
    «Komisch, warum?»
    «Na ja, es ist doch unwahrscheinlich, daß die Person, die Sheila Broome umbrachte, ins Café gegangen ist. Aber angenommen, er hat es gemacht. Diese Kellnerin, haben Sie gesagt oder vielmehr Macalvie, war sehr aufmerksam. Sah den Lkw, den Fahrer, das Mädchen im Regen.» Er zuckte die Achseln. «Es kommt mir nur merkwürdig vor, daß sie, was die Identifizierung des Bildes angeht, dann so vage geblieben ist, immer vorausgesetzt natürlich, daß es da etwas zu identifizieren gab. Vielleicht ist das für sie alles ein bißchen schleierhaft … Ich wollte morgen nach Northants zurückfahren. Aber ich könnte ja vielleicht auch nach Exeter fahren, wenn Ihnen das recht ist.»
    «Natürlich ist es mir recht. Aber wozu?»
    Melrose schüttelte den Kopf. «Ich weiß nicht. Nur so ein Gedanke. Meinen Sie, ich könnte ein paar Abzüge davon mitnehmen?» Er hielt die Fotos in die Höhe.
    «Klar. Ich lasse sie machen, wenn ich heute abend wieder im Yard bin, und kümmere mich drum, daß Sie morgen die Abzüge haben.» Jury wandte sich um. «Oh, hallo, William.»
    William Warboys stand neben Jurys Ellbogen und guckte angespannt. Als sei das plötzliche Auftauchen seines Herrn das Signal zu einem Überfall, stürzte sich Osmond mit einem Hechtsprung auf Melroses Fuß.
    Melrose zuckte zusammen. «Gütiger Gott, kann man diesen Hund nicht an die Leine nehmen?» Er machte mit dem Fuß einen Schlenker, um Osmond abzuschütteln.
    William ignorierte es und sagte: «Ich habe rausgekriegt, wer Weldon getötet hat.»
    «Weldon? Wer Osmond getötet hat, wäre ein befriedigenderer Krimi.»
    «Sidney war’s.»
    «Sidney? Sidney? Ich dachte, Sidney ist Weldons bester Freund.»
    «Muß ja nicht sein, sonst hätte er ihn ja nicht umgebracht», sagte William sehr vernünftig. Dann wandte er sich an Jury. «Haben Sie Lust, hinten rauszugehen?»
    «Und was ist da zu sehen?» fragte Jury.
    «Gräber. So eine Art Friedhof. Wenn hier bei uns was stirbt, begrab ich es immer.» William sah auf sein Notizheft. «Da finde ich meine Anregungen.»
    Melrose entgegnete: «Da findet ihr ja alle eure Anregungen.»

17
    M ACALVIE HATTE DIE F ÜSSE auf Jurys Schreibtisch gelegt und die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Blick wanderte zwischen Wiggins, der seinen Tee impfte, und dem Bildschirm eines kleinen tragbaren Fernsehers, auf dem ein Asiate die Freuden der Akupunktur vorführte, hin und her. Wiggins bewahrte den Fernseher in einem Aktenschrank auf und holte ihn jeden Mittag zum Akupunktur-Kursus heraus.
    «Eigentlich müßte ja irgend jemand was gesehen oder gehört haben», sagte Wiggins, warf nun zwei Alka Seltzer in seine Tasse und sah zu, wie sich auf der bräunlichroten Oberfläche Blasen bildeten.
    «Mit Sicherheit.» Macalvie zog die Stirn in Falten. «Was zum Teufel ist das, Wiggins? Klingt ja wie eine Eruption.»
    Er streckte die Hand nach dem Ordner aus, den Jury soeben auf seinen Schreibtisch geschmissen hatte.
    «Diese Kopfschmerzen sind brutal. Wenn ich nicht aufpasse, hab ich bald eine Migräne am Hals.» Wiggins nippte an seinem Tee.
    Macalvie brummte: «Bei Ihnen klingt das, als handele es sich um einen tollwütigen Hund. In Hay’s Mews gibt es zwei Dutzend Häuser. Irgend jemand verschweigt was.»
    «Haben Sie Andrew Starr erreicht, Wiggins?»
    «Ja, Sir. Ich habe gesagt, wir kämen am Spätnachmittag bei ihm vorbei.»
    Macalvie hatte den Hut ins Gesicht geschoben, aber seine blauen Augen blitzten unter der Krempe hervor.

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