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Inspektor Jury steht im Regen

Inspektor Jury steht im Regen

Titel: Inspektor Jury steht im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Haus ist ein Minenfeld. Aber die Warboys bewältigen das alles spielend und machen unerschrocken weiter.»
    «Bis jetzt hat sie meines Wissens niemand verklagt», sagte Lucinda. «Aber ich glaube nicht, daß sie viele Übernachtungen haben. Wie wär’s denn jetzt mit einem Kaffee?»
    «Ja, gern. Was die Gäste angeht: Sie haben sie ja vielleicht reingehen sehen. Aber haben Sie sie auch wieder rauskommen sehen?»
    David lachte und fragte dann Edward: «Wo zum Teufel bleiben die Dienstboten?»
    «Bunbury besuchen», sagte Ned Winslow lächelnd.
    «Wen bitte?»
    «Wer ist Bunbury?» fragte Lucinda.
    «Bunbury war Swinburnes legendärer alter Freund. Erinnert ihr euch nicht? Jedesmal, wenn er aus London weg wollte, sagte er, der alte Bunbury sei krank. Ich sollte mich aber wohl nicht beklagen, ich mache es ja genauso. Hauptsache weg aus London. Vermutlich hat Lucinda Ihnen erzählt, was passiert ist.» Er sah Melrose an, stand wieder auf und steuerte auf den Wodka zu. «Ich bin der Polizei gern bei ihren Nachforschungen behilflich» – er lächelte –, «aber es wird allmählich lästig. Wenn nicht sogar gefährlich.»
    «Es gibt keinerlei Beweise, David», sagte Lucinda. «Bis jetzt haben sie nichts gefunden.»
    Davids Hand mit der Brandykaraffe verharrte mitten in der Bewegung: «Dieses ‹bis jetzt› klingt ja ganz nett. Aber der Gedanke, daß sie morgen vielleicht in ganz Hays Mews meine Fingerabdrücke finden, ist nicht gerade beruhigend.»
    «Das passiert ja auch nicht», sagte Ned kurz und ging zum Kamin, um das Feuer zu schüren. Er wandte sich um, legte den Arm auf den grünen Marmor und nahm eine ähnliche Haltung ein wie auf dem darüberhängenden Porträt. Es war ein Porträt von allen drei – die Frau darauf ähnelte David Marr so stark, daß sie seine Zwillingsschwester hätte sein können. Melrose konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, was das Gemälde so überzeugend machte: Vielleicht das, was es über das Verhältnis der drei zueinander aussagte. Melrose fragte sich, wo der Ehemann abgeblieben war. Vielleicht hatte St. Clair recht. «Das passiert schon deshalb nicht, weil du nichts damit zu tun hast», sagte Ned.
    «Wenn die Polizei das auch nur so sehen würde.»
    «Wird sie schon.»
    David rollte seinen Kopf an der Sofalehne abwechselnd nach links und rechts und seufzte. «Na ja, kein Grund zur Sorge. Es ist nur verdammt lästig, wenn sie dir verbieten, das Land zu verlassen. Warum will man auch immer dann gerade raus, wenn es verboten ist? Warum hat man gerade dann immer den Drang, nach Monte Carlo oder in den Himalaja zu reisen, wenn jemand darauf besteht, daß man zu Hause bleibt? Warum bloß?»
    «Der Himalaja könnte dir ja vielleicht ganz guttun. Aber als du das letzte Mal in Monte Carlo warst, mußte Mutter dir Geld schicken.»
    Ned Winslows Stimme klang äußerst gutmütig. Melrose hatte den Eindruck, als sähe jeder dem anderen sämtliche Schwächen nach.
    David zuckte die Achseln. «Vielleicht sollte ich auch mal Bunbury besuchen. Übrigens hat Marion sich hingelegt. Sie fühlt sich nicht wohl. Hoffentlich nicht meinetwegen. Wo bleibt der Kaffee, Lucinda?»
    Lucinda ging und tat, worum man sie gebeten hatte. Edward ging hinter ihr her, um ihr zu helfen. Melrose wunderte sich, wie sie sich einbilden konnte, bei diesem Mann, der ihren Rücken jetzt ohne ein Fünkchen von Interesse betrachtete, eine Chance zu haben. Es war wirklich ein Jammer. Edward und Lucinda schienen durchaus zusammenzupassen, wenn er sich auch fragte, was «Passen» damit zu tun hatte. Die Liebe war schließlich kein gutgeschnittener Anzug.
    «Lucinda hat mir erzählt, Sie seien eine ziemliche Kapazität auf dem Gebiet der französischen Romantik.» Er lächelte. «Von der ich keine blasse Ahnung habe. Aber wußten Sie, daß Edward ein Dichter ist.» David erhob sich mit seinem Glas. Diesmal jedoch steuerte er die Bücherregale und nicht die Kommode an. Er zog einen Band heraus, den Melrose als ein Werk Edward Winslows wiedererkannte. «Sie sollten es lesen.»
    «Hab ich schon. Lucinda hat mir das Exemplar gegeben, das, wie ich fürchte, für Pearl St. Clair gedacht war.»
    David lachte. «Ich bin überzeugt, Pearl hatte nichts dagegen. Da muß sie wenigstens mal nicht so tun, als ob sie lesen könne.» Er blätterte im Buch und sagte: «Sie sind so einfach, diese Gedichte von Ned. Wahrscheinlich bedeutet das, daß sie altmodisch sind oder so was. ‹Wohin bist du gegangen, Elizabeth Vere …›» David klappte das Buch

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