Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden
waren zuzugeben.
Das einzig Neue, was Margaret Bowman betraf, war Wilkins’ Mitteilung, daß er sie des öfteren bei einem Oxforder Schönheitssalon abgeholt habe. Lewis stöhnte innerlich, als er erfuhr, daß es genau der Salon war, den er vor ein paar Tagen als ersten angerufen und bei dem man ihm schroff mitgeteilt hatte, daß man über «derartig vertrauliche Dinge> keine Auskunft gebe! Über Margarets derzeitigen Aufenthaltsort konnte Wilkins, wenn man seinen Angaben glauben durfte, nichts sagen; es schien ihm auch gleich zu sein, wo sie war. Er wisse, sagte er, daß sie in Alnwick oder Berwick oder Newcastle irgendwelche Verwandten habe, es sei für die Polizei doch sicherlich leicht festzustellen, falls sie sich dorthin gewandt habe. Er trauere ihr übrigens nicht sehr nach — sie habe ihn im Grunde genommen ins Unglück gestürzt, auch wenn er zugeben müsse, daß die letzte, fatale Entscheidung seine Schuld gewesen sei... Aber dieses Kapitel sei nun abgeschlossen, und so merkwürdig es vielleicht klinge — irgendwie sei er auch erleichtert.
Kurz nach halb sieben begleitete Sergeant Phillips den Verhafteten auf das Revier in der St. Aldate’s Street, wo er zusammen mit Grant solange bleiben würde, bis die Frage der Untersuchungshaft endgültig geklärt wäre. Soviel stand jedenfalls fest — die nächsten Jahre würde er auf Staatskosten verbringen.
Morse bestand darauf, daß er und Lewis nach den anstrengenden Tagen, die hinter ihnen lagen, einen Anspruch auf frühen Feierabend hätten, und Lewis war das nur recht. Er wollte gerade den Ordner mit der Akte Bowman/ Wilkins in den Schrank zurückstellen, als ihm ein beschriebenes Blatt Papier entgegenfiel, das zu zeigen Morse offensichtlich nicht für nötig befunden hatte. Die erste Zeile lautete «Dies ist ein Liebesbrief... > Stirnrunzelnd las Lewis weiter, bis er zu der Stelle kam, an der die unbekannte Briefschreiberin mitteilte, daß sie gerade eine Biographie über Thomas Hardy lese... Da glitt ein wissendes Lächeln über sein Gesicht.
Sollte er es Morse sagen? Er las den Brief noch einmal, jetzt, da er wußte, wer ihn geschrieben hatte, war er gleich doppelt so interessant.
Sieh mal einer an, wer hätte das gedacht...
Um sieben Uhr tauchte Morse plötzlich wieder auf (Lewis hatte angenommen, er sei schon längst nach Hause gegangen). «Also, Lewis, dieser Wilkins ist der gerissenste Bursche, der mir je untergekommen ist», begann er ohne Einleitung. «Er hat mich hinters Licht geführt, als sei ich ein Anfänger! Ich Trottel habe ihm schlichtweg geglaubt, als er erzählte, daß er an Margaret Bowman kein Interesse mehr habe! Aber die Wahrheit ist: er liebt diese Frau! Er hat in der Vergangenheit alles getan, um sie zu halten — er ist deswegen sogar zum Mörder geworden, und jetzt, Lewis, tut er alles, um sie zu beschützen. Wissen Sie noch, was er uns gestern abend im Verhör gesagt hat? Holen Sie mal die Protokolle — ich meine die Stelle, wo von ihrem ungültigen Paß die Rede ist.»
Lewis hatte das Protokoll schnell gefunden und las den fraglichen Abschnitt laut vor:
«Ich habe ihr geraten, das Land zu verlassen, per Schiff oder wie auch immer, aber sie sagte, das ginge nicht.»
«Wieso?»
«Ihr Paß ist offenbar abgelaufen, und sie hatte Angst, einen neuen zu beantragen, da sie wußte, daß man versuchte, sie zu finden ...»
«Gott, was war ich doch für ein Trottel, Lewis! Ich frage mich nur, was er uns sonst noch für Lügen erzählt hat. Ist sie wirklich gestern abend bei ihm aufgekreuzt? Hat sie sich tatsächlich mit ihrer Schwester in Newcastle in Verbindung gesetzt? Hat sie überhaupt eine Schwester? Ach, es ist zum Verrücktwerden... Sie könne das Land nicht verlassen, weil ihr Paß ungültig sei, erzählt er uns. Und wir glauben ihm! Folgerichtig unterlassen wir die Benachrichtigung der Reedereien...»
«Und der Flughäfen...», fügte Lewis hinzu.
Morse schwieg einen Moment. «Das darf doch nicht wahr sein!» sagte er dann leise.
«Was ist denn, Sir?»
«Schicken Sie sofort ein Telex nach Gatwick. Wir brauchen die Passagierliste von dieser Boeing...»
«Sie glauben doch nicht etwa...?»
«Glauben, glauben, Lewis?!» Morse lachte bitter. «Ich bin mir so gut wie sicher.»
Als Lewis vom Fernschreiber zurückkam, stand Morse schon im Mantel, bereit zu gehen.
«Was ich noch sagen wollte, Sir», begann Lewis verschmitzt lächelnd, «dieser Brief, den Sie da von einer Ihrer Bewunderinnen bekommen
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