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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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wie bisher. Einen Moment später war die Entscheidung gefallen.
    Ihre Schuhe, ihre neuen Schuhe zu ruinieren, darauf wollte Margaret es nun doch nicht ankommen lassen. Zwar hatte sie sie eigens für die Beerdigung angeschafft, aber sie bei diesem Wetter anziehen, hieße fünfzig Pfund zum Fenster hinauswerfen, und das wäre nun doch zu unvernünftig. Zwar war es nicht unbedingt nötig, über den ganzen Friedhof zu stapfen, aber so wie es draußen aussah, würde es den Schuhen schon den Rest geben, wenn sie bloß vor die Tür trat. Sie blickte auf die Uhr. Viel Zeit war nicht mehr. Aber trotzdem — sie würde die Schuhe wechseln. Zu Schwarz paßte zum Glück fast alles, und die grauen Schuhe mit den dicken Sohlen wären genau das Richtige, und vielleicht sollte sie auch eine andere Handtasche mitnehmen. Sie hatte da noch diese graue Ledertasche, die eigentlich farblich genau zu den Schuhen passen müßte.
    Sie tanzte die Treppe hinauf, sehr eilig und schicksalhaft.
    Zwei, drei Minuten später klingelte es an der Haustür. Thomas Bowman legte seine Zeitung beiseite und erhob sich, um sie zu öffnen. Draußen im strömenden Regen stand eine der Nachbarinnen, die gekommen war, um Margaret zur Beerdigung abzuholen. Sie trug dunkle Trauerkleidung, hatte sich aber vorsichtshalber gelbe Gummistiefel angezogen, die in ihm Erinnerungen weckten an die ersten Farbfernsehaufnahmen von der Landung eines bemannten Raumschiffes auf dem Mond. Über ihrem Kopf spannte sich ein grellbunter Regenschirm — ganz offenbar legten nicht alle Frauen in der Siedlung so viel Wert auf Eleganz wie Margaret.
    «Sie muß jeden Moment unten sein», sagte er und lächelte der jungen Frau freundlich zu. «Schlüpft nur noch rasch in ihre Ballettschuhe, dann kann die Führung über Gottes Acker losgehen. Aber wollen Sie nicht solange hereinkommen?»
    «Nein, das lohnt sich nicht. Wir sind schon reichlich spät dran. Oh, hallo Margaret!»
    War sie eben in den zierlichen schwarzen Pumps die Treppe nur so hinaufgeflogen, so wirkte Margarets Schritt in den grauen, dicksohligen Halbschuhen nun beinahe schwerfällig. Sie steckte sich, die Hand schon im grauen Handschuh, noch schnell ein weißes Taschentuch in die graue Handtasche, dann war sie für die Beerdigung bereit.

Kapitel Zwei

NOVEMBER

    «Postboten werden irgendwie nie beachtet», sagte er nachdenklich, «und doch haben sie Leidenschaften wie alle anderen Menschen auch.»
    G. K. Chesterton, Der unsichtbare Mann

    Nachdem sich die Haustür hinter den beiden Frauen geschlossen hatte, wartete er noch eine Weile, dann trat er ans Wohnzimmerfenster und blickte über den jetzt völlig durchweichten Rasen zur Straße. Er hatte Margaret den Wagen angeboten, da er ohnehin zu Hause bleiben wollte. Aber offenbar waren sie doch im Auto der Nachbarin gefahren, denn sein brauner Metro stand noch in der Auffahrt. Weit und breit war niemand zu sehen, so als sei Charlbury Drive von seinen Bewohnern verlassen worden. Es regnete noch immer.
    Er stieg die Treppe hinauf in den ersten Stock, betrat das zweite Schlafzimmer, das nur benutzt wurde, wenn Besuch kam, und öffnete die rechte Seite des klobigen Mahagoni-Kleiderschrankes, in dem seine und Margarets abgelegte Kleidung aufbewahrt wurde. In der hinteren Ecke standen, einer über dem anderen, acht weiße Schuhkartons. Mit sicherem Griff zog er den dritten von unten aus dem Stapel heraus, nahm den Deckel ab und holte mit einem tiefen Seufzer die Whiskyflasche heraus. Sie war bereits zu zwei Dritteln leer, man konnte aber natürlich auch sagen, noch ein Drittel voll — letzteres vermutlich eine Version, die Thomas Bowman bevorzugt hätte. Der Karton war sehr alt und diente ihm nun schon seit sechzehn Jahren, seit Beginn ihrer Ehe, wann immer er etwas vor Margaret verbergen wollte, als Versteck. Vor Jahren, damals war er noch aktives Mitglied eines Fußballclubs gewesen, hatte er eine Woche lang eine Reihe obszöner Fotos darin aufbewahrt, die in der Mannschaft, angefangen vom schon recht betagten Torhüter bis hinunter zum erst vierzehnjährigen Linksaußen, die Runde gemacht hatten. Inzwischen war er seit längerem schon der Aufbewahrungsort für seinen Whisky, der, wie er sich selbst eingestand, auf gefährliche Weise für ihn immer unverzichtbarer wurde. Sowohl was die Fotos anging als auch in bezug auf den Whisky hatte er zwar seiner Frau gegenüber ein schlechtes Gewissen, andererseits sah er aber auch keinen Anlaß, sich nun vor Scham zu verzehren. Ohnehin

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