Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
Vom Netzwerk:
die West-Point-Akademie besucht. Seine Laufbahn wies keine Unregelmäßigkeiten auf; es war nicht schwer, dies zu ermitteln.
    Außerdem erfuhren wir, daß der jüngere Bruder erst vor zwei Monaten gestorben war. Auch er war Junggeselle gewesen. Einer der Psychiater, die wir hinzugezogen hatten, bemerkte: »Was für eine Mutter!«
    Tice Angerhelm war weit herumgekommen. Um die Wahrheit zu sagen, hatte er etwas mit einigen der Projekte zu tun gehabt, die ich bearbeitete. Das warf zahllose Fragen auf.
    Wie dem auch sei, er war tot. Er hatte nie direkt mit Dingen zu tun gehabt, die die Sowjets betrafen. Er besaß keine sowjetischen Freunde, war nie in der Sowjetunion gewesen und nie mit den sowjetischen Streitkräften in Berührung gekommen. Nie hatte er eine Einladung zu einem offiziellen Empfang in der sowjetischen Botschaft erhalten.
    Seine Kenntnisse bezogen sich allein auf französische Politik und das Raketenprogramm. Er war Kartenspieler, ein guter Forellenangler, und er besaß etwas von einem Wochenend-Don-Juan.
    Damit begann die vierte Phase.
    Colonel Plugg erhielt den Befehl, mit Oberstleutnant Potariskow Kontakt aufzunehmen und ihm weitere Informationen zu entlocken. Potariskow rief zurück und erklärte, es wäre besser, wenn sein Chef, der sowjetische Botschafter, mit dem Außenminister oder mit dem stellvertretenden Außenminister sprechen würde.
    Es traten einige Verzögerungen auf. Der Außenminister befand sich nicht in der Stadt, und sein Vertreter erklärte, daß er sich sehr gern mit dem sowjetischen Botschafter treffen würde, falls irgendwelche Fragen offenbleiben sollten. Er sagte, wir hätten Angerhelm gefunden, und falls die sowjetischen Behörden Mr. Angerhelm persönlich sprechen wollten, so sollten sie sich doch, bitte schön, nach Hopkins, Minnesota, begeben und sich mit ihm unterhalten.
    Peinlich wurde es, als sich herausstellte, daß das Gebiet um Hopkins, Minnesota, für sowjetische Diplomaten gesperrt war – als Ausgleich für die Sperrzonen in der Sowjetunion, die die Arbeit der amerikanischen Diplomaten behinderten.
    Man beseitigte das Hindernis, und der sowjetische Botschafter wurde gefragt, ob er Interesse habe, einen Geflügelzüchter in Minnesota zu besuchen.
    Als der sowjetische Botschafter erwiderte, daß er nicht im geringsten an Geflügelzüchtern interessiert sei, aber Mr. Angerhelm gern zu einem späteren Zeitpunkt sehen würde, falls die amerikanische Regierung nichts dagegen einzuwenden hätte, wurde uns die Sache aus den Händen genommen.
    Eine Weile geschah nichts. Vermutlich informierten die Russen Moskau über den derzeitigen Stand der Dinge – per Kurier, Brief oder auf irgendwelchen anderen geheimen Wegen, die die Russen benutzen, wenn sie sehr vorsichtig und unauffällig sein wollen.
    Ich hörte nichts, und die Agenten, die die Sowjetbotschaft beobachteten, registrierten in dieser Zeit keine ungewöhnlichen Ereignisse.
    Nelson Angerhelm bemerkte von all den Verwicklungen nichts. Alles, was er wußte, war, daß einige sonderbare Gestalten ihn über alte Kriegskameraden ausgefragt hatten, an die er sich kaum noch erinnerte, und daß die Nachforschungen aus Sicherheitsgründen stattfänden.
    Und ein Steuerfahnder hatte mit ihm ein langes und erschöpfendes Gespräch über den Nachlaß seines Bruders geführt, der nur sehr gering war.
    Angerhelm fütterte weiter seine Hühner. Er besaß einen Fernseher, und in Minneapolis gab es eine ganze Reihe TV-Sender. Hin und wieder tauchte er in der Kirche auf; häufiger begab er sich in die Kramläden der Umgebung.
    Praktisch nie besuchte er das neue Einkaufszentrum in der Stadt. Er mochte nicht, wie Hopkins sich entwickelt hatte, und er zog die kleinen Dorfläden vor. Auf merkwürdige Weise schien das das einzige Vergnügen zu sein, das der alte Mann hatte.
    Nach neunzehn Tagen, von denen sich jede Stunde unerträglich lang dahinzog, mußte die Antwort aus Moskau eingetroffen sein. Möglicherweise wurde sie von dem stämmigen, braunhaarigen Kurier übermittelt, der die Reise alle vierzehn Tage machte. Einer der Jungs aus dem Tal hatte mir davon erzählt. Ich gehörte nicht zu den Leuten, die das erfahren sollten, aber das spielte bald keine Rolle mehr.
    Offenbar war der Sowjetbotschafter angewiesen worden, die Sache herunterzuspielen. Er rief den Unterstaatssekretär im Außenministerium an, und das Gespräch endete mit einer Diskussion über den Butterpreis auf dem Weltmarkt sowie die Auswirkungen der amerikanischen

Weitere Kostenlose Bücher