Instrumentalität der Menschheit
sind sie leichter zu heizen. Die Raketen sind häßlich und einfach, die Raketenhangars so freudlos wie Maschinenhallen. Die Erde besitzt einige Sehenswürdigkeiten, die Besucher anziehen. Der Emigrationshafen zählt nicht dazu. Die Menschen, die dort tätig sind, genießen das Privileg wahrer Arbeit und tiefer beruflicher Befriedigung. Die Menschen, die dort hingehen, verlieren sehr bald ihr Bewußtsein. Woran sie sich noch erinnern, das ist ein kleiner Raum, der an ein Krankenhauszimmer gemahnt, ein schmales Bett, ein wenig Musik, einige Gespräche, der Schlaf und (vielleicht) die Kälte.
Vom Emigrationshafen aus gelangen sie in ihre Kapseln und werden in ihnen eingeschlossen. Die Kapseln werden von den Raketen zu den Segelschiffen gebracht. Das ist die herkömmliche Methode.
Die neue Methode ist besser. Man entspannt sich in einem gemütlichen Salon oder spielt Karten oder verzehrt eine Mahlzeit. Man benötigt dazu nur das halbe Vermögen eines Planeten oder den Nachweis, daß man mehrere Jahrhunderte lang fehlerlos und mit der Bewertung »exzellent« seine Pflichten erfüllt hat.
Bei den Photonenseglern war dies anders. Jedem boten sie eine Chance.
Ein junger Mann, mit heller Haut und hellem Haar, unbeschwerten Mutes, zog aus, um eine neue Welt zu erforschen. Ein älterer Mann, das Haar bereits angegraut, begleitete ihn. So wie dreißigtausend andere. Und wie das schönste Mädchen der Erde.
Die Erde hätte sie festhalten können, aber die neuen Welten brauchten sie.
Sie mußte fortziehen.
Mit einem Lichtsegler. Und sie mußte den Weltraum durchqueren – den Weltraum, der immer voller Gefahren ist.
Manchmal setzt der Weltraum seltsame Werkzeuge für seine Zwecke ein – die Schreie eines wundervollen Kindes, das lamellierte Gehirn einer längst verstorbenen Maus, das herzzerreißende Schluchzen eines Computers. Meist gönnt der Weltraum keinen Aufschub, keinen Ersatz, keine Rettung, keine Reparatur. Alle Gefahren müssen vorausgesehen werden, sonst werden sie tödlich. Und das größte aller Risiken ist der Mensch selbst.
»Sie ist wunderschön«, sagte der erste Techniker.
»Sie ist noch ein Kind«, bemerkte der zweite.
»Sie wird nicht mehr wie ein Kind aussehen, wenn sie zweihundert Jahre draußen gewesen ist«, fuhr der erste fort.
»Aber sie ist ein Kind«, beharrte der zweite und lächelte. »Eine wunderschöne Puppe mit blauen Augen, die auf Zehenspitzen den Weg des Erwachsenenlebens betritt.« Er seufzte.
»Sie wird eingefroren«, erinnerte der erste.
»Nicht für die ganze Zeit«, widersprach der zweite. »Hin und wieder wird man sie wecken. Man muß sie wecken. Die Maschinen tauen sie auf. Du erinnerst dich doch noch an die Verbrechen auf der Alten Zweiundzwanzig. Nette Leute, aber die falsche Zusammenstellung. Und alles ging schief, ging auf schmutzige, brutale Weise schief.«
Beide erinnerten sich an die Alte Zweiundzwanzig. Das Höllenschiff hatte lange Zeit zwischen den Sternen getrieben, bevor man auf sein Leuchtfeuer aufmerksam geworden war, das um Rettung flehte. Aber für eine Rettung war es bereits viel zu spät.
Das Schiff befand sich in einem untadeligen Zustand. Die Segel waren im richtigen Winkel gesetzt. Die aber Tausende von Kälteschläfern, die hinter dem Schiff in ihren adiabatischen Ein-Mann-Kapseln hergezogen wurden, wären ebenfalls in einem untadeligen Zustand gewesen, doch sie waren lediglich zu lange dem offenen Weltraum ausgesetzt und größtenteils verdorben. Aber im Innern des Schiffes – da lag der Fehler. Der Segler hatte versagt oder war gestorben. Die Reservepassagiere waren geweckt worden. Sie kamen nicht gut miteinander aus. Oder sie kamen schrecklich gut miteinander aus, nur auf die falsche Art. Draußen zwischen den Sternen, allein in einer zerbrechlichen, räumlich beengten Kabine, hatten sie neue Verbrechen erfunden und sie aneinander begangen – Verbrechen, die eine Million Jahre alter, irdischer Schlechtigkeit nicht in dem Menschen hervorgebracht hatte.
Die Rettungsmannschaften, die die Alte Zweiundzwanzig betreten hatten, waren sehr krank geworden, als sie die Geschehnisse rekonstruierten, die der Erweckung der Reservecrew gefolgt waren. Zwei von ihnen hatten um eine Gedächtnislöschung gebeten und den Dienst quittiert.
Die beiden Techniker wußten Bescheid über die Alte Zweiundzwanzig, als sie das fünfzehnjährige Mädchen betrachteten, das auf dem Tisch schlief. War sie eine Frau? War sie ein Mädchen? Was erwartete sie, wenn sie
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