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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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erforderlich waren, um diese Geräte herzustellen und diese Wellenmuster zu ermitteln? Bist du überhaupt zu irgend etwas nützlich?«
    Tonlos und ohne Zorn erwiderte Gauck: »Genosse Professor, ich gehorche meinen Befehlen. Auch du gehorchst deinen Befehlen. Ich habe dich nie behindert.«
    Rogow steigerte sich beinahe in Raserei hinein. »Ich weiß, daß du dich mir nie in den Weg gestellt hast. Wir alle sind treue Diener des Sowjetstaates. Es ist keine Frage der Loyalität. Es ist eine Frage der Begeisterung. Willst du denn nicht einen einzigen Blick auf unsere Forschungen werfen? Wir sind den kapitalistischen Amerikanern um hundert oder tausend Jahre voraus. Freut dich das denn nicht? Bist du eigentlich ein menschliches Wesen? Warum nimmst du nicht Anteil? Wirst du mich verstehen, wenn ich es dir erkläre?«
    Gauck sagte nichts; er sah Rogow mit seinen Kulleraugen an. Sein schmutziggraues Gesicht blieb unbewegt. Gausgofer stieß laut und auf grotesk weibliche Art einen erleichterten Seufzer aus, aber sie schwieg. Cherpas, gewinnend lächelnd und ihre freundlichen Augen auf ihren Mann und die beiden Mitarbeiter gerichtet, sagte: »Fahre fort, Nikolai. Der Genosse wird dir folgen können, wenn er es will.«
    Gausgofer starrte Cherpas mißgünstig an. Sie schien auch weiterhin schweigen zu wollen, sprach dann aber doch. Sie bat: »Rede weiter, Genosse Professor.«
    »Kharosho«, brummte Rogow, »ich werde tun, was ich kann. Die Maschine ist nun in der Lage, über eine große Distanz das Bewußtsein anderer Menschen zu erreichen.« In amüsiertem Hohn verzog er die Lippen. »Wir können selbst die Gedanken des Oberlumpen ausspionieren und herausfinden, was Eisenhower heute gegen das sowjetische Volk im Schilde führt. Wäre es nicht wundervoll, wenn unsere Maschine ihn lähmen würde, so daß er verwirrt vor seinem Schreibtisch säße?«
    »Versuche es nicht«, bemerkte Gauck. »Nicht ohne Befehle.«
    Rogow ignorierte die Unterbrechung und fuhr fort. »Zunächst empfange ich. Ich weiß nicht, was oder wen ich anzapfen werde und wo sie sich befinden. Ich weiß nur, daß diese Maschine jetzt hinausgreifen wird in die Gedanken aller Menschen und Tiere, die in diesem Moment leben, und daß ich Kontakt bekomme mit den Augen und Ohren eines einzelnen Bewußtseins. Mit der neuen Nadel, die direkt mit meinem Gehirn verbunden ist, wird es mir möglich sein, genau seinen Aufenthaltsort zu bestimmen. Der Ärger vorige Woche mit diesem Jungen war, daß wir zwar wußten, er sah etwas, was sich außerhalb dieses Raums befand, und schien Worte in einer fremden Sprache zu empfangen, aber er verstand nicht genug Englisch oder Deutsch, um anzugeben, wohin ihn die Maschine geführt hat.«
    Cherpas lachte. »Ich mache mir keine Sorgen. Ich habe gesehen, daß es mit keiner Gefahr verbunden ist. Versuch du es zuerst, mein Gemahl. Falls unsere Genossen nichts dagegen haben …?«
    Gauck nickte.
    Gausgofer hob atemlos ihre knochige Hand zu ihrem mageren Hals und erklärte: »Natürlich, Genosse Rogow, natürlich. Du hast die ganze Arbeit getan. Du mußt der erste sein.«
    Rogow setzte sich.
    Ein Techniker in einem weißen Kittel schob die Maschine zu ihm hinüber. Sie war auf drei gummibereiften Rädern befestigt und erinnerte an die kleinen Röntgengeräte, die von Zahnärzten benutzt wurden. Statt einer Linse, wie bei den Röntgengeräten üblich, verfügte die Maschine über eine lange, unglaublich feine Nadel. Die besten Prager Hersteller für chirurgische Instrumente hatten sie gefertigt.
    Ein anderer Techniker näherte sich mit einer Rasierschüssel, einem Pinsel und einem scharfen Rasiermesser. Unter den Blicken von Gaucks erloschenen Augen rasierte er auf Rogows Schädel eine Fläche von vier Quadratzentimetern.
    Dann übernahm Cherpas. Sie schob den Kopf ihres Mannes zwischen die Klammern und benutzte eine Mikrometerschraube, um die Vorrichtung so genau zu befestigen, daß die Nadel an der richtigen Stelle durch die Schädeldecke drang.
    Die Arbeit führte sie geschickt und mit sanften, kräftigen Fingern durch. Sie ging zärtlich, aber auch energisch vor. Sie war seine Frau, aber sie war auch seine wissenschaftliche Mitarbeiterin und seine Kollegin im Sowjetstaat.
    Sie trat zurück und betrachtete ihre Arbeit. Dann schenkte sie ihm ein besonderes Lächeln, eines jener geheimen vergnügten Lächeln, die sie gewöhnlich nur austauschten, wenn sie allein waren. »Ich glaube nicht, daß dir das jeden Tag behagen würde. Wir werden eine

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