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Internat auf Probe

Internat auf Probe

Titel: Internat auf Probe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Hoßfeld
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der Badewanne, im Gras, neben einem Gänseblümchen, in der Schule, mit einer Tafel Schokolade und auf dem Rand einer Cornflakesschüssel balancierend. „Bestimmt wirst du damit eines Tages reich und berühmt, haha.“
    „Wer weiß?“, erwidert Carlotta und drapiert die Bärchen neu. „Auf die Idee, Gummibärchen so zu fotografieren, ist außer mir bestimmt noch keiner gekommen!“
    Sie hat die Digitalkamera von Papa zum Geburtstag geschenkt bekommen und war seitdem ständig auf der Suche nach außergewöhnlichen Motiven. Als sie eines Tages aus purer Langeweile zwei Gummibärchen aus unterschiedlichen Perspektiven fotografiert hat, ist ihr die Idee gekommen, Gummibärchenfotografin zu werden. Blumen, Sonnenuntergänge und Frühlingswiesen kann schließlich jeder aufnehmen – Blumen, Sonnenuntergänge und Frühlingswiesen mit Gummibärchen nicht.
    Es macht ihr Spaß, sich immer neue Arrangements auszudenken, und Papa findet, dass ihre Aufnahmen etwas ganz Besonderes sind. Aber davon versteht Katie wirklich nichts. Sie ist eben kein bisschen kreativ.
    Als Katie sich am späten Nachmittag verabschiedet, kommt Papa aus seinem Arbeitszimmer. Sein Gesicht sieht müde aus. Zwischen den Augen hat er eine tiefe Falte, als würde er zu wenig schlafen.
    Er nickt Katie zu und sagt zu Carlotta: „Können wir gleich noch mal in Ruhe über alles reden? Vielleicht hab ich eine Lösung für unser Problem.“
    Carlotta zieht die Stirn kraus. Was gibt es da noch großartig zu bereden? Ihr Schicksal ist besiegelt. Sie wird ihre Tage zwischen dreckigen Windeln und Babybrei zubringen. Nur unterbrochen vom Gesang eines übergewichtigen Nilpferds unter der Dusche.
    „Von mir aus“, seufzt sie und bringt Katie zum Gartentor.
    „Hört sich nach einem ernsten Vater-Tochter-Gespräch an“, sagt Katie. „Erzähl’s mir morgen früh. Oder ruf mich nachher noch mal an.“
    „Klar, mach ich“, verspricht Carlotta. „Bis dann!“ Sie winkt der Freundin hinterher, dann stapft sie mit hängenden Schultern ins Haus zurück.
    Papa wartet im Wohnzimmer auf sie. Vor ihm auf dem Tisch liegt ein dickes Fotoalbum.
    Na toll, denkt Carlotta. Will er jetzt etwa Fotos angucken? Sie hockt sich auf die Sofakante und runzelt die Stirn.
    Papa lächelt, als er das Album aufschlägt.
    Carlotta kennt das Album und ahnt, was jetzt kommt. Etwas wie: „Das waren noch Zeiten!“, oder so ähnlich. Garantiert!
    „Ach ja …“, seufzt Papa. „Das waren noch Zeiten. Damals war ich kaum älter als du.“
    Carlotta rollt mit den Augen. Was haben Papas sentimentale Jugenderinnerungen mit ihrem Problem zu tun?
    „Das ist das Internat Prinzensee.“ Papa zeigt auf ein Farbfoto, das ein verwinkeltes, von hohen Bäumen umstandenes Gebäude inmitten eines Parks zeigt.
    „Super“, spöttelt Carlotta. Dass Papa heute noch von seiner Zeit als Internatsschüler schwärmt, obwohl inzwischen mehr als zwanzig Jahre vergangen sind, findet sie ziemlich unnormal. Wie kann man so gerne zur Schule gegangen sein? Noch dazu auf ein Internat? Ein Internat, das Prinzensee heißt, ist wirklich das Letzte, findet Carlotta. Klingt, als würden da lauter Prinzen und Prinzessinnen wohnen. Total kitschig.
    „In ein paar Wochen ist Ehemaligentreffen“, erzählt Papa, während er weiterblättert. „Es fällt in deine Sommerferien, und ich dachte, vielleicht hast du Lust, mich zu begleiten?“ Er guckt Carlotta an.
    Carlotta zieht die Augenbrauen zusammen. „Wozu das denn? Ich bin froh, wenn ich in den Ferien keine Schule von innen sehen muss!“
    Papa lacht. „Das kann ich gut verstehen, aber Prinzensee ist schließlich keine normale Schule. Es ist ein altes Landschloss, unheimlich schön zwischen Wäldern und Seen gelegen. Das reinste Paradies. Ich dachte, wir machen einen kleinen Ausflug, sehen uns die Gegend an, und bei der Gelegenheit zeige ich dir meine alte Schule.“
    „Aber wieso?“, fragt Carlotta misstrauisch. „Du bist doch sonst immer allein zu den Ehemaligentreffen gefahren.“
    Papa legt das Album zurück und fährt mit dem Finger über das Foto des alten Schlosses.
    „Stimmt“, erwidert er. „Aber jetzt hätte ich Lust, dich mitzunehmen. Es ist die letzte Gelegenheit, dass wir etwas zusammen unternehmen, bevor ich abreise. Und außerdem möchte ich, dass du dir Prinzensee einmal ansiehst.“
    Carlotta verspürt kein Fünkchen Lust, aber leider hat Papa Recht: Es wäre wirklich die letzte Chance, ein paar Tage miteinander zu verbringen.
    Vielleicht kann man

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