Das Fest des Ziegenbocks
Suhrkamp
Über dieses Buch:
Als Urania Cabral nach langen New Yorker Exiljahren nach Santo Domingo zurückkehrt, auf die Insel, die sie nie wieder betreten wollte, findet sie ihren Vater stumm und im Rollstuhl vor. Der einstige Senatspräsident und Günstling des Diktators blickt sie auf ihre schweren Vorwürfe hin nur starr an, und Urania bleibt allein mit ihren Erinnerungen an die Zeit der Willkür – und an ein ungeheuerliches Geschehen. Mit ihr kehren wir zurück ins Jahr 1961, als die dominikanische Hauptstadt noch Ciudad Trujillo heißt. Dort herrscht ein Mann, von dem man sagt, daß er nie schwitzt, mit absoluter Macht über ein Volk, das zu lauter Untertanen geworden ist – nackte Gewalt ausübend, wo sie ihm nutzt, und Charme und intellektuelle Überlegenheit ausspielend, wo er die Gebildeten und die Oberschicht ins Kalkül zieht. Uranias Vater ist da nur eine Schachfigur im perfiden Spiel des Diktators. Während der Große Wohltäter, der fast das ganze Land in seinen persönlichen Besitz gebracht hat, Militär, Kirche, amerikanische Botschaft in Schach zu halten vermeint, sind seine Attentäter längst unterwegs – ohne ihrerseits zu ahnen, daß in ihrem Rücken ein machiavellistischer Machtwechsel im Gange ist. Im eisigen Zentrum von Vargas Llosas Roman steht die nur allzu reale Gestalt des Generals Trujillo, genannt »Der Ziegenbock«, eine der blutigsten, bizarrsten und zugleich ambivalentesten Verkörperungen des lateinamerikanischen Diktators. Doch der Blick des Schriftstellers dringt unter die historische Haut, macht uns zu Zeitgenossen, zu Mitwissern. Den Verschwörern mit ihrem brennenden Verlangen, ihren Demütiger zu beseitigen, den intelligenten Politschranzen, den Zuträgern und Intriganten und nicht zuletzt den Opfern gibt der Erzähler seine eindringliche Stimme. Und er schürzt den dramatischen Knoten so gekonnt, daß diese Psychographie der Macht und ihrer Verheerungen wie ein Thriller zu lesen ist.
Über den Autor:
Mario Vargas Llosa wurde 1936 in Arequipa/Peru geboren; heute lebt er in London, Paris und Madrid. Sein schriftstellerisches Werk erscheint auf deutsch im Suhrkamp Verlag.
Die Originalausgabe erschien 2000
unter dem Titel La Fiesta del Chivo
bei Alfaguara, Madrid.
© Mario Vargas Llosa, 2000
© der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2001 Alle Rechte vorbehalten,
insbesondere das des öffentlichen Vortrags
sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen,
auch einzelner Teile.
Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form
(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)
ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert
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verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Satz: Libro, Kriftel/Ts.
Druck: GGP Media, Pößneck
Printed in Germany
Erste Auflage 2001
1 2 3 4 5 6 – 06 05 04 03 02 01
Das Fest des Ziegenbocks
Für Lourdes und Jose Israel Cuello und so viele andere dominikanische Freunde
Das Volk, es feiert
Mit großem Geschrei
Das Fest des Ziegenbocks
Am dreißigsten Mai.
Sie haben den Ziegenbock umgebracht
Dominikanischer Merengue
I
Urania. Ihre Eltern hatten ihr keinen großen Gefallen getan; ihr Name ließ an einen Planeten denken, an ein Mineral, an alles mögliche, nur nicht an die schlanke Frau mit feinen Gesichtszügen, glatter Haut und großen dunklen, ein wenig traurigen Augen, die ihr aus dem Spiegel entgegenblickte. Urania! Was für ein Einfall. Zum Glück nannte sie niemand mehr so, sondern Uri, Miss Cabral, Mrs. Cabral oder Dr. Cabral. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte seit ihrem Fortgang aus Santo Domingo (»besser gesagt, aus Ciudad Trujillo«, damals hatte man der Hauptstadt noch nicht ihren Namen zurückgegeben) niemand, weder in Adrian noch in Boston, noch in Washington D.C. oder in New York, sie jemals wieder Urania genannt wie früher zu Hause und in der Santo-Domingo-Schule, wo die Sisters und ihre Klassenkameradinnen den absurden Namen, den man ihr bei der Geburt auferlegt hatte, ganz korrekt aus sprachen. War es seine oder ihre Idee gewesen? Zu spät, um das herauszufinden, Mädchen; deine Mutter ist im Himmel und dein Vater ein lebender Leichnam. Du wirst es nie erfahren. Urania! Genauso abwegig, wie das alte Santo Domingo de Guzmán zu beleidigen, indem man es Ciudad Trujillo nannte. Ob das wohl auch eine Idee ihres Vaters gewesen war?
Sie wartet darauf, daß im Fenster ihres Zimmers im neunten Stock des Hotels Jaragua das Meer erscheint, und
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