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Intimitaet und Verlangen

Intimitaet und Verlangen

Titel: Intimitaet und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schnarch
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sie die hier beschriebenen Lösungsansätze ausprobiert hatten. Wenn die Therapie ihren Körper, den Abruf zutreffenderer autobiographischer Erinnerungen, neue Bedeutungen des Sex und physischen Kontakt zum Partner einbezog, machten viele ähnliche Fortschritte, wie Nicole und Philipp.
    Nicole wurde stärker und war nicht mehr unbedingt bereit, grundsätzlich jedem anderen den Vortritt zu lassen. Sie stellte ihre Fähigkeiten nicht mehr als unbedeutend dar. Sie wurde lebendig und munter. Einer der Gründe hierfür war, dass sie sich als begehrenswert erlebte, ein anderer, dass sie sich nun bezüglich ihrer positiven Einstellung zu ihrer sinnlichen Seite sicher war.
    Philipp gelang es, seine Tendenz zum schnellen Ejakulieren zu überwinden. Die intensive körperliche und emotionale Stimulation beim Oralsex entfaltete wie vorausgesehen ihre Wirkung, nachdem es ihm gelungen war, sich darauf einzulassen. Philipp erhielt nun auch seine Allianz mit Nicole aufrecht, und er konfrontierte sich mit seinen Problemen, indem er lernte, Nicole direkt zu bitten, ihn oral zu befriedigen und ihn zu nehmen. Die Vier Aspekte der Balance und sein Penis erhielten ein Konditionstraining. Dadurch wurde nicht nur seine Ejakulationsschwelle erhöht (was seine Ejakulationskontrolle beim Genitalverkehr verbesserte), sondern seine reflexhaften Anwandlungen von Wut, Reaktivität und Aggression ließen ebenfalls nach. Er lernte so gut, seine Emotionen zu beherrschen, dass Nicole anfing, ihn »Sweetie« zu nennen.
    Â»Sweetie« war in diesem Fall mehr als nur ein schrecklich rührseliger Kosename: Der Ausdruck war ein Maß für den Erfolg der Therapie. Alle Bemühungen beider Partner, bei sich selbst zu bleiben, waren in diesem einen Wort zusammengefasst. Der Weg von emotionalen Katastrophen und Wutanfällen zu »Sweetie« (»Süßer«) zeigt, dass diese beiden Menschen mehr als nur ein wenig Einsicht entwickelt hatten. Wegen solcher Entwicklungen bin ich auf den Gedanken gekommen, dass in den Gehirnen meiner Klienten neue Synapsenverbindungen entstehen. Vielleicht beeinträchtigt aber auch mein Respekt vor ihnen und meine Bewunderung für sie meine Objektivität. Aber »Sweetie« klingt ein wenig wie das, was Daniel Siegel, der den Begriff »interpersonale Neurobiologie« prägte, als Kriterium für die Effektivität einer Behandlung beschrieben hat:
    Â»[Der] Schluss [liegt] nahe, dass die allgemeine Zielrichtung bei der psychotherapeutischen Behandlung von Traumatisierten darin besteht, die angeborene Bewegungstendenz des Geistes in Richtung Integration zu verstärken, und zwar sowohl innerhalb des Gehirns als auch im Rahmen interpersoneller Beziehungen. Erkennbar würde die Wirksamkeit eines solchen Vorgehens an einer Verstärkung der Selbstregulierung und der emotionalen Verarbeitung. Abgesehen von der Auflösung der vielen und vielfältigen PTBS-Symptome könnte man auch zahlreiche andere grundlegende Veränderungen in der Funktionsweise des Patienten voraussagen. Aus systemischer Sicht wäre eine Verbesserung infolge der Therapie an einem anpassungsfähigeren und flexibleren Geist zu erkennen, der auf Veränderungen in seinem Inneren und in der äußeren Umgebung zu reagieren vermöchte. Die vorherige emotionale Labilität würde durch eine stabile Grundgestimmtheit abgelöst. Außerdem manifestierte sich eine gesteigerte Fähigkeit, ein umfassenderes Spektrum von Emotionen unterschiedlichster Intensität zu erleben, sowie eine größere Toleranz gegenüber Veränderungen. Die Auflösung wäre auch an der Entwicklung differenzierterer Fähigkeiten und an der gleichzeitigen häufigeren Teilhabe der Betreffenden an Erlebnissen der Vereinigung zu erkennen. Diese Steigerung der individuellen Differenzierung und der interpersonellen Integration würde die Bewegung des Geistes zu immer komplexeren Zuständen spiegeln. Insgesamt wären diese Veränderungen nicht nur ein Ausdruck der Freiheit von posttraumatischen Symptomen, sondern auch der größeren Fähigkeit des Patienten, die (innere und interpersonelle) Integration zu erreichen, und somit Niederschlag einer adaptiveren und flexibleren Selbstregulierung.
    Die Folge dieser Verbesserung der Integrationsfähigkeit wären kohärentere autobiographische Beschreibungen spezifischer traumatischer Ereignisse und des gesamten Lebens.» 12
    Ihre

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