Irische Liebesträume
über das kleine englische Mädchen reden werden, das auf ‘The Hall’ wohnt.”
“Ich bin nicht klein”, protestierte Ellie wie schon so viele Male zuvor.
“Nein”, gab Feargals Mutter ihr recht. “Aber Sie wirken klein. Ich weiß nicht, warum. Als Sie zum ersten Mal hier hereinkamen, hätte ich gesagt, Sie seien klein. Doch als Sie neben Terry standen, schienen Sie genau dieselbe Größe zu haben. Und sie ist eins siebenundsechzig. Überhaupt nicht klein. Seltsam, nicht wahr?”
“Ja”, sagte Ellie. “Wahrscheinlich habe ich kurze Beine.” Sie sah zu Feargal hinüber, der eine Zeitung las oder so tat als ob, und lächelte. Vor vierundzwanzig Stunden war ihr das Leben noch einfach und unkompliziert vorgekommen. Und nun wohnte sie bei einer Familie, die sie nicht kannte, war zu einer Hochzeit eingeladen, auf der sie keinen der Gäste kennen würde – und fühlte sich außerordentlich zu einem Mann mit blauen Augen hingezogen. Warum, fragte sie sich, müssen mir immer die seltsamsten Dinge passieren?
Ellie begann, den Prospekt über die Schlacht bei Boyne durchzublättern. Es musste schrecklich chaotisch zugegangen sein. Keine einfache Schlacht zwischen Engländern und Iren, sondern ein Kampf, bei dem viele andere Faktoren und Menschen eine Rolle gespielt hatten. Sie war nicht in der Stimmung, sich auf die vielen Warums und Weshalbs zu konzentrieren, und griff nach einer Broschüre mit dem Titel “Programmvorschau”.
“Oh, sie veranstalten eine Suche nach Kobolden”, rief sie plötzlich erfreut aus. “Wo liegt Carlingford?”
“Im Norden”, antwortete Feargal sofort. Also war er doch nicht ganz in seine Zeitungslektüre vertieft gewesen. “Kann ich aus Ihrer offensichtlichen Begeisterung schließen, dass Sie dorthin möchten?”
“Ja, natürlich.”
“Wann findet es statt?”, fragte seine Mutter.
“Am dreißigsten – oh, das ist morgen! Wie lange würde ich für die Fahrt dort hinauf brauchen?”
“Sie brauchen nicht zu fahren”, sagte Feargal ruhig. “Ich bringe Sie hin.”
“Wirklich?”, fragte sie erstaunt.
“Ja. Ich muss manchmal wegen des Austern-Festivals hinauffahren.”
“Oh. Nun, das ist sehr nett von Ihnen, aber ich werde es auch mit dem Wagen finden. Ich möchte Ihnen nicht …”
“Lästig fallen. Ja, ich weiß.” Den Blick seiner blauen Augen immer noch auf ihr Gesicht gerichtet, fügte er hinzu: “Man sollte niemals allein nach Kobolden suchen. Und falls Sie zufällig einen der kleinen Wichte finden”, sagte er mit ernster Miene, “und ihm seinen Goldschatz abnehmen möchten, dürfen Sie ihn niemals aus dem Auge lassen. Wenn Sie auch nur einen Moment wegsehen, wird er verschwinden.”
“Das werde ich nicht tun”, meinte sie. Sie war nicht ganz sicher, ob Feargal sie aufzog oder nicht. Denn soweit sie wusste, nahmen die Iren Kobolde wirklich sehr ernst. Sie lächelte. “Haben Sie schon jemals einen gesehen?”
Er schüttelte den Kopf. “Nein. Nicht ich selbst. Aber an einem Ostersonntag vor nicht allzu langer Zeit fand man auf dem Felsen bei Carlingford eine Garnitur Kleidung. Daneben lagen auf einem Fleck verbrannter Erde einige Knochen. In der Hosentasche steckten vier Goldschillinge.”
“War es die Kleidung eines Kobolds?”
“Ja.”
“Ich glaube Ihnen nicht.”
“Nein? In der Gaststube von O’Hares Pub können Sie den Anzug sehen. Und vor etwa sechzig Jahren hat Jimmy Marley selbst einen Kobold in Ballyoonan gefangen. Er hielt ihn fest, wie seine Eltern es ihm immer gesagt hatten, und nach einem kurzen Zweikampf, bei dem Jimmy ihn nicht aus den Augen ließ, verließen den Kobold die Kräfte. Jimmy fühlte sich schon als Sieger, da rief der Zwerg plötzlich aus: ‘Warrenpoint brennt!’. Jimmy, der dort zwei Schwestern hatte, drehte sich um. Natürlich war es eine verhängnisvolle Bewegung, denn als er sich wieder umwandte, war der Kobold verschwunden.”
Ellie blickte zu Feargals Mutter, dann wieder zu Feargal und brach in Lachen aus. “Sie wollen mich wohl verschaukeln?”
“O nein, das tut er nicht”, sagte Feargals Mutter. “Das werden Sie in Carlingford feststellen. Mit dem Auffinden der Kleidung vor einigen Jahren begann die Jagd auf Kobolde, die nun jährlich veranstaltet wird”, erklärte sie, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt. “Auf dem Berg halten sich viele Steinkobolde versteckt”, fuhr sie fort, “und wer einen findet, erhält eine Belohnung. Natürlich hofft man, dass man dabei auch noch
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