Irische Liebesträume
andere geheimnisvolle Wesen entdeckt.”
“Ist das schon einmal vorgekommen?”, fragte Ellie fasziniert.
“Nein”, antwortete Feargals Mutter traurig. “Zumindest nicht in letzter Zeit.”
“Aber man hat die Suche nicht aufgegeben?”
“O nein. Selbst wenn Sie nicht auf Koboldsuche gehen, lohnt es sich, die Gegend dort kennenzulernen. Zwischen den Mourne Mountains und Cooley ist die Landschaft äußerst reizvoll. Märchen und Sagen sind dort heute noch lebendig. Nun”, wechselte sie zu Ellies Überraschung das Thema, “dass wir hocherfreut sind, Sie als Gast bei uns zu haben, darf Ihnen nicht unangenehm sein. Es ist schön, mal ein anderes Gesicht zu sehen, noch dazu ein so hübsches”, fügte sie warm lächelnd hinzu. “Außerdem mag ich Ihren Sinn für Humor. Und meinen Sie nicht, dass Sie die ganze Zeit bei der Familie bleiben müssen. Kommen und gehen Sie, wie es Ihnen gefällt, Ellie. Bestimmt werden Sie sich so viel wie möglich hier anschauen wollen. Also fühlen Sie sich bei uns wie zu Hause. Und jetzt, denke ich, werde ich zu Bett gehen.” Sie lächelte Ellie an und sagte: “
Oiche Mhaith Dhuit
.”
“
E ha y gitch
?”, fragte Ellie und versuchte die seltsam klingenden Laute nachzuahmen, die sie eben von Feargals Mutter gehört hatte.
“Es heißt ‘gute Nacht’“, erklärte Feargal, während er aufstand, um seiner Mutter einen Gutenachtkuss zu geben.
“Oh, ich sage es wohl lieber in meiner Sprache. Gute Nacht. Und vielen Dank.”
“Wofür, mein Kind?”
“Dafür, dass ich hierbleiben kann.”
Nachdem sie gegangen war, sah Ellie Feargal an und hätte ihm am liebsten für sein spöttisches, wissendes Lächeln eine heruntergehauen.
“Zwei Nächte?”, fragte er leise.
“Zwei”, stimmte sie zu. Sie packte ihre Broschüren zusammen und ging hinauf in ihr Zimmer.
Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, lag Ellie eine Weile im Bett und dachte über die außergewöhnlichen Ereignisse des Tages nach. Zwei Tage, überlegte sie schläfrig. In zwei Tagen konnte viel geschehen. Die Vorstellung, einen ganzen Tag in Feargals Gesellschaft zu verbringen, ließ sie zufrieden lächeln, und sie kuschelte sich unter die Decke. Aber warum hatte er sie eingeladen? Es war ihr ein Rätsel. Sie durfte auf gar keinen Fall vergessen, ihn nach den Übernachtungskosten zu fragen.
Am nächsten Morgen machte sie sich ein Frühstück, ohne jemanden von der Familie zu treffen. Rose oder Mary – sie wusste nicht, welche von beiden – sah ihr dabei amüsiert zu. Und noch bevor sie sich den Kopf darüber zerbrechen konnte, ob Feargal sein Angebot, sie nach Carlingford zu bringen, ernst gemeint hatte, kam er auch schon durch die Hintertür herein.
“Sind Sie so weit?”, fragte er lächelnd.
“Ja. Macht es Ihnen auch wirklich nichts aus?”
“Wenn es so wäre, hätte ich es Ihnen nicht angeboten. Sie werden noch herausfinden, Ellie, dass ich niemals etwas tue, was ich nicht will.”
Wirklich?, fragte sie sich. Wurde das Leben dadurch einfacher? Wenn ja, vielleicht sollte sie selbst es einmal versuchen. Er sieht sauber, frisch und ausgeschlafen aus, dachte sie. Sie beobachtete, wie er sich eine Tasse Tee einschenkte, sich mit den Hüften an den Tisch lehnte und den Tee trank.
“Kommt Ihr Bär Gwendoline mit?”, fragte Feargal völlig ernst.
Ellie schüttelte den Kopf. “Sie hat Bauchschmerzen”, erklärte sie. “Gestern hat sie zuviel Schokolade gegessen.”
“Oh, arme Gwen! Kann es losgehen?”
“Ja, natürlich.” Sie lächelte Mary – oder Rose? – kurz zu, stand schnell auf und folgte Feargal hinaus.
3. KAPITEL
I n Carlingford nieselte es, als Ellie und Feargal dort ankamen, gerade rechtzeitig zum Beginn der Suche nach den Kobolden, den Leprechauns, wie sie in Irland genannt wurden. Feargal kaufte ihr ein Ticket, vergewisserte sich, dass sie anhand der Karte herausfand, auf welchem Teil des Berges sie zu suchen hatte, und zeigte ihr die Richtung an.
“Für jeden Leprechaun ist eine Belohnung ausgesetzt”, erklärte er. “Einhundert Pfund. Ist alles klar? Ja, natürlich”, beantwortete er sich seine Frage selbst. Etwas erstaunt ließ er den Blick über die übergroße Latzhose gleiten, die sie trug. Die Beine waren zu weit und so kurz, dass sie mindestens zehn Zentimeter über ihren Stiefelrändern endeten. “Sie sehen aus wie eine Farmarbeiterin auf dem Weg zum Heumachen. Eine sehr hübsche Farmarbeiterin”, fügte er leise hinzu. “Ziehen Sie ihre Regenjacke über, sonst
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