Irrungen, Wirrungen
gewillt, sich's in der Plüschecke nach Möglichkeit bequem zu machen, er gab es aber bald wieder auf, denn die Ecke war heiß wie ein Ofen.
Rienäcker hatte den hübschen und herzerquickenden Zug aller märkischen Edelleute, mit Personen aus dem Volke gern zu plaudern, lieber als mit »Gebildeten«, und begann denn auch ohne weiteres, während sie im Halbschatten der jungen Kanalbäume dahinfuhren: »Is das eine Hitze! Ihr Schimmel wird sich auch nicht gefreut haben, wenn er ›Rollkrug‹ gehört hat.«
»Na, Rollkrug geht noch; Rollkrug geht noch von wegen der Heide. Wenn er da durchkommt un die Fichten riecht, freut er sich immer. Er is nämlich von 's Land... Oder vielleicht is es auch die Musike. Wenigstens spitzt er immer die Ohren.«
»So, so«, sagte Botho. »Bloß nach tanzen sieht er mir nicht aus... Aber wo werden wir denn den Kranz kaufen? Ich möchte nicht gern ohne Kranz auf den Kirchhof kommen.«
»O damit is noch Zeit, Herr Baron. Wenn erst die Kirchhofsgegend kommt, von 's Hallsche Tor an un die ganze Pionierstraße runter.«
»Ja, ja, Sie haben recht; ich entsinne mich...«
»Un nachher, bis dicht an den Kirchhof ran, hat's ihrer auch noch.«
Botho lächelte. »Sie sind wohl ein Schlesier?«
»Ja«, sagte der Kutscher. »Die meisten sind. Aber ich bin schon lange hier und eigentlich ein halber Richtiger-Berliner.«
»Und 's geht Ihnen gut?«
»Na, von gut is nu woll keine Rede nich. Es kost't allens zuviel un soll immer von 's Beste sein. Und der Haber is teuer. Aber das ginge noch, wenn man bloß sonst nichts passierte. Passieren tut aber immer was, heute bricht 'ne Achse, un morgen fällt en Pferd. Ich habe noch einen Fuchs zu Hause, der bei den Fürstenwalder Ulanen gestanden hat; propres Pferd, man bloß keine Luft nich un wird es woll nich lange mehr machen. Un mit eins ist er weg... Un denn die Fahrpolizei; nie zufrieden, hier nich un da nich. Immer muß man frisch anstreichen. Un der rote Plüsch is auch nich von umsonst.«
Während sie noch so plauderten, waren sie, den Kanal entlang, bis an das Hallesche Tor gekommen; vom Kreuzberg her aber kam gerad ein Infanteriebataillon mit voller Musik, und Botho, der keine Begegnungen wünschte, trieb deshalb etwas zur Eile. So ging es denn rasch an der Belle-Alliance-Brücke vorbei, jenseits derselben aber ließ er halten, weil er gleich an einem der ersten Häuser gelesen hatte: »Kunst- und Handelsgärtnerei«. Drei, vier Stufen führten in einen Laden hinauf, in dessen großem Schaufenster allerlei Kränze lagen.
Rienäcker stieg aus und die Stufen hinauf. Die Tür oben aber gab beim Eintreten einen scharfen Klingelton. »Darf ich Sie bitten, mir einen hübschen Kranz zeigen zu wollen?«
»Begräbnis?«
»Ja.«
Das schwarzgekleidete Fräulein, das, vielleicht mit Rücksicht auf den Umstand, daß hier meist Grabkränze verkauft wurden, in seiner Gesamthaltung (selbst die Schere fehlte nicht) etwas ridikül Parzenhaftes hatte, kam alsbald mit einem Immergrünkranze zurück, in den weiße Rosen eingeflochten waren. Zugleich entschuldigte sie sich, daß es nur weiße Rosen seien. Weiße Kamelien stünden höher. Botho seinerseits war zufrieden, enthielt sich aller Ausstellungen und fragte nur, ob er zu dem frischen Kranz auch einen Immortellenkranz haben könne.
Das Fräulein schien über das Altmodische, das sich in dieser Frage kundgab, einigermaßen verwundert, bejahte jedoch und erschien gleich danach mit einem Karton, in dem fünf, sechs Immortellenkränze lagen, gelbe, rote, weiße.
»Zu welcher Farbe raten Sie mir?«
Das Fräulein lächelte: »Immortellenkränze sind ganz außer Mode. Höchstens in Winterzeit... Und dann immer nur...«
»Es wird das beste sein, ich entscheide mich ohne weiteres für diesen hier.« Und damit schob Botho den ihm zunächst liegenden gelben Kranz über den Arm, ließ den von Immergrün mit den weißen Rosen folgen und stieg rasch wieder in seine Droschke. Beide Kränze waren ziemlich groß und fielen auf dem roten Plüschrücksitz, auf dem sie lagen, hinreichend auf, um in Botho die Frage zu wecken, ob er sie nicht lieber dem Kutscher hinüberreichen solle. Rasch aber entschlug er sich dieser Anwandlung wieder und sagte: »Wenn man der alten Frau Nimptsch einen Kranz bringen will, muß man sich auch zu dem Kranz bekennen. Und wer sich dessen schämt, muß es überhaupt nicht versprechen.«
So ließ er denn die Kränze liegen, wo sie lagen, und vergaß ihrer beinah ganz, als sie gleich danach in
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