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Ismaels fliegende Wale

Ismaels fliegende Wale

Titel: Ismaels fliegende Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip José Farmer
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worden, um kurz darauf umzukommen?
    Als die Männer in den Booten die gewaltigen Kerzen des elementaren Feuers sahen, stellten sie das Pullen ein, aber die im Bug stehenden Offiziere trieben sie an die Arbeit zurück.
    Kapitän Gardiner schrie zu ihm hinauf: „Ismael, mein Mann, siehst du irgendeine Spur von dem verlorenen Boot?“
    „Nein, Kapitän Gardiner!“ rief Ismael zu ihm hinunter, und es erschien ihm, als würde sein Atem die naheste der Flammen – als sei sie ein wirkliches Kerzenlicht – zum Flackern bringen. „Nein, ich kann nichts sehen – noch nicht!“
    Aber einen Moment später fuhr er auf und griff nach der vor ihm liegenden dünnen Reling. Irgend etwas hatte sich auf der Steuerbordseite bewegt.
    Es war lang und schwarz, und einen Moment lang dachte er, es müsse das Boot sein, das sich vielleicht eine Meile entfernt befand. Aber dennoch gab er keinen Laut, denn er wollte erst sichergehen und den Kapitän nicht glücklich machen, um anschließend seine Freude wieder zu zerstören. Dreißig Sekunden später verlängerte sich das schwarze Ding und durchpflügte die quecksilberfarbene See mit Spuren aus hellem Silber. Es sah nun wie eine Seeschlange aus und war so lang und schlank, daß er dachte, es müsse das Ungeheuer sein, von dem er so viel gehört und das er doch nie gesehen hatte. Vielleicht handelte es sich aber auch um den Tentakel eines Kraken, der aus Gründen, die nur ihm selbst bekannt waren, an die Oberfläche gedrungen war.
    Aber plötzlich verschwand das schlangenähnliche Ding. Ismael rieb sich die Augen und fragte sich, ob die Anstrengungen der letzten drei Tage während der Jagd auf den weißen Wal, dessen Angriff und der Untergang des Schiffes und die eineinhalb verbrachten Tage auf der Oberfläche des Sarges dafür verantwortlich waren, daß er Trugbilder sah.
    Dann rief ein Mann aus einem anderen Ausguck: „Eine Seeschlange!“
    Andere Schreie wurden laut. Sie kamen sogar von den Männern in den Ruderbooten, die weit weniger sehen konnten als jene auf den Masten.
    Überall, wohin man auch sah, wanden und schlängelten sich nun lange, dünne Objekte von dunkler Farbe über das schwarzsilberne Wasser. Sie schienen dazu bestimmt zu sein, ihre speerähnlichen Köpfe in die Seitenwände der Rahel zu treiben und sich dann aufzulösen. Zuerst waren sie nur ein Dutzend; dann waren es zwei und schließlich mehrere Hundert.
    „Was ist das?“ rief Kapitän Gardiner.
    „Ich weiß nicht, Kapitän, aber ich mache mir keine besonderen Sorgen um sie!“ rief der Zweite Offizier zurück.
    „Stören sie euch beim Rudern?“ fragte der Kapitän.
    „Nur insofern, daß die Männer nicht mehr in der Lage sind, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren!“
    „Was sie mit ihren Köpfen tun, ist mir egal!“ brüllte Kapitän Gardiner. „Aber ihre Körper gehören mir! Pullt, Männer, pullt! Was immer diese Dinge auch sind, sie können euch nicht weher tun als das Elmsfeuer!“
    „Aye, aye, Sir!“ rief der Zweite Offizier – wenngleich auch nicht begeistert – zurück. „In Ordnung, Männer – ihr habt den Kapitän gehört! Taucht die Riemen ins Wasser und pullt! Schenkt diesen Luftspiegelungen keinen Blick! Ah, genau das sind sie: Luftspiegelungen der See! Phantome, Spiegelungen von Dingen, die nicht existieren! Und wenn sie es doch tun, sind sie so weit entfernt, daß sie euch nichts tun können!“
     
    Das Eintauchen der Ruder und das Ächzen der Männer war alles, was man über dem ruhigen Wasser und der stillen Luft hörte. Aber jetzt begannen sich die schlangenhaften „Luftspiegelungen“ im Kreis zu drehen, als versuchten sie, in ihre eigenen Schwänze zu beißen und sie zu verschlucken. Rundherum bewegten sie sich und schnitten tiefere und hellere Furchen in die See – oder schienen es zu tun. Gleichermaßen schien das Elmsfeuer an den Spitzen der Rahnocken noch bedrohlicher zu brennen. Nicht länger mehr waren sie Phantome; sie waren lebende Kreaturen mit heißem Atem.
    Ismael zog sich von ihnen zurück, preßte Beine und Bauch gegen die harte Reling und schaute geradeaus.
    Unter ihm erklang ein Schrei, und ein Mann rannte durch eine Luke, während eine gegabelte Flamme, die doppelt so groß war wie ein Mensch, hinter ihm hersprang.
    Im gleichen Moment versprühten die langen, schwarzen, in der See kreisenden Objekte Elmsfeuer. Sie waren wie jene schlangengleichen Wale der Frühzeit, den Vorvätern der gegenwärtigen Ungeheuer, die Strudel leuchtenden Schwefels bliesen.
    Ismael

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