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Ismaels fliegende Wale

Ismaels fliegende Wale

Titel: Ismaels fliegende Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Jose Farmer
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Die kleineren Tiere führten sich immer noch auf wie in einem Tollhaus, aber der größere Lärm, den der schwere, sich einen Weg durch die Wipfel bahnende Körper erzeugt hatte, war verstummt.
    „Was ist?“ fragte Ismael.
    „Es ist aufgestiegen und entfernt sich langsam“, sagte Namalee.
    Ismael zwang sich zu einem ruhigeren Atmen und erstickte die Geräusche seines Keuchens dadurch, daß er den Mund weit aufriß und die Luft gleich säckeweise verschlang. Er vernahm ein leises Klatschen, aber es war schwer, dieses Geräusch durch den Affenzirkus, den die vielen kleineren Tiere veranstalteten, auszumachen.
    „Der Shivaradu hat, wie du dich erinnern wirst, keine Schwingensegel“, erklärte Namalee. „Er bewegt sich, indem er mit seinen Tentakeln nach den Pflanzen greift und sich so über die Dschungeldecke hinwegzieht.“
    Ismael, der diese Welt für einen Pazifik der Luft gehalten hatte, stellte sie sich nun als Beutegehege der Luftbewohner vor.
    „Der Shivaradu hatte die Absicht, uns durch Lärm aufzuscheuchen – nur deswegen versuchte er zu uns durchzubrechen. Aber jetzt wird er über den Wipfeln des Dschungels dahintreiben und sich selbst voranziehen – und dann wird alles sehr schnell gehen. Schneller jedenfalls, als wir aus diesem Dickicht herauskommen können.“
    Ismael hatte sie noch nicht gefragt, wie der Shivaradu seine Beute verspeiste, deshalb holte er es jetzt nach.
    „Warum willst du das wissen?“ fragte Namalee fröstelnd. „Wenn du tot bist … Welchen Unterschied macht …“
    „Sag es mir!“
    Sie wiegte den Kopf, als versuche sie, den Standort der Bestie ausfindig zu machen. Anscheinend bewegte sie sich nicht mehr, sondern lauschte, denn sie erzeugte nicht das geringste Geräusch.
    „Der Shivaradu verspritzt eine Säure über das Opfer“, flüsterte Namalee, „die Fleisch und Knochen zu einem Brei auflöst, den das Biest dann durch die Tentakel aufsaugt.“
    Ismael hatte die verrückte Idee gehabt, einige der vergifteten Pfeile in den Mund der Bestie zu werfen und es auf diese Weise umzubringen. Aber jetzt sah sein Plan gar nicht mehr so gut aus – obwohl er wahrscheinlich auch nicht gut ausgesehen hätte, wenn die Bestie ein Maul besessen hätte, das groß genug wäre, um einen Mann zu verschlingen.
    „Er wird so leicht und leise über uns dahintreiben wie eine Wolke“, sagte Namalee, „die Tentakel ausstrecken, um unsere Körperwärme zu ertasten, und seine Hörorgane werden auf das kleinste Geräusch achten. Und wenn wir nicht rennen, wird er uns ausmachen und uns mit einem Dutzend Pfeile gleichzeitig beschießen. Und selbst wenn wir dann fortrennen – er wird uns folgen, bis wir erschöpft sind.“
    „Ich fragte mich, wie stark seine Tentakel wohl sind“, sagte Ismael so leise, daß sie seine Worte nicht verstand. Er wiederholte sie und erhielt die erwartete Antwort. „Warum willst du das wissen?“
    „Ich weiß es selbst nicht genau“, sagte er und legte eine Hand auf ihre von kaltem Schweiß bedeckte Haut. „Laß mich nachdenken.“
    Er verstand jetzt, wie ein Wal sich fühlen mußte. Er befand sich unten, auf dem Grund, von keinem bösen Gedanken beseelt, während über ihm, an der Oberfläche, der Mörder hin und her zog, wartete und Ausschau hielt. Früher oder später würde sich der Gejagte gezwungen sehen, eine Entscheidung herbeizuführen – und dann würde der Jäger zustoßen.
    Das Geräusch der sich biegenden Gewächse, die sich wieder in ihrem Urzustand befanden, als die Bestie sich weiterbewegt hatte, erneuerte sich.
    Namalee klammerte sich an Ismael und flüsterte: „Wir müssen fliehen! Und wenn wir …“
    „In zwei verschiedene Richtungen kann es uns nicht verfolgen“, sagte Ismael. „Ich werde nach Norden laufen, genaugenommen nach Nordnordwest, und werde mich in einem Winkel von ihm entfernen. Nachdem es angefangen hat, mich zu verfolgen, wirst du bis fünfzehn zählen und dann – nicht eher! – nach Süden rennen.“
    „Du opferst dich für mich!“ sagte sie. „Aber warum?“
    „Wenn in meiner Welt ähnliche Gefahren auftraten, erwartete man von den Männern, Frauen nach bestem Wissen und Gewissen zu verteidigen. Natürlich war das nur ein Prinzip“, fügte er hinzu, „und die Wirklichkeit sah manchmal genau entgegengesetzt aus. Ich habe jetzt keine Zeit, um Grundsätze oder deren Begründung zu diskutieren. Du tust, was ich sage.“
    Er küßte sie impulsiv auf den Mund, wandte sich dann um und rannte, so schnell ihn seine Beine

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