Ismaels fliegende Wale
wieder hinter seinem Stamm untergetaucht. Er versuchte zu berechnen, wie lange der Tentakel brauchen würde, über den Stamm hinwegzukriechen. Zwischen den Fingern einer Hand hielt er den erbeuteten Pfeil, in der anderen Hand Namalees Steinmesser.
Über ihm schlängelten sich drei Tentakel nach unten und schauten mit den blinden Augen, die nichts anderes wahrnehmen konnten als die Wärme eines Körpers, umher. Als sei er nun nahe genug gekommen, fiel einer der Tentakel plötzlich nach unten herab, so daß er selbst mit verminderter Luftausstoßfähigkeit noch genügend Kraft aufgebracht hätte, Ismael einen vergifteten Knochensplitter in den Körper zu jagen.
Ein anderer Tentakel glitt über den Stamm und verharrte. Nach der Wärme seines Körpers schnüffelnd, bewegte er sich vor und zurück. Dann begann er sich zu begradigen.
Ismael rammte die Nadelspitze des erbeuteten Pfeils in das offene Ende des Auswuchses.
Gleich darauf rollte er sich über den hinter ihm liegenden Stamm und das sich daran anschließende Vegetationsnetz.
Der Tentakel, in dem der Giftpfeil steckte, fing an zu zucken, und es erschien Ismael, als würde er anschwellen.
Falls das Biest die Absicht gehabt hatte, einen Pfeil abzuschießen, würde es nun feststellen, daß der Tentakel verstopft war. Der Greif arm zuckte hin und her, rollte sich schließlich zurück und spannte sich dann mit einem lauten Schnappen. Diesmal wurden beide Pfeile ausgestoßen, aber sie flogen nicht weiter als drei Fuß.
Ismael rollte sich zwischen die beiden Stämme zurück, hob einen der Pfeile mit den Fingern auf, sprang auf und stürmte auf den jetzt leeren Tentakel zu.
Das schlangenähnliche Ding zog sich zurück, aber es reagierte langsam, als sei es nicht daran gewöhnt, in die Defensive zu gehen. Ismael packte nach der Tentakelspitze und drückte den erbeuteten Dorn tief in den weichfleischigen Teil innerhalb der Öffnung.
Der Tentakel reagierte auf diesen Angriff mit brutaler Gewalt, zog Ismael unter den weitgestreckten diskusförmigen Körper der Bestie und an den vorderen Greifern vorbei. Die rückwärtigen Tentakel, die in entgegengesetzter Richtung suchten und vielleicht als hintere Verteidigungslinie dienten, begannen sich nach ihm umzudrehen.
Ismael kletterte an dem Tentakel hoch, als befände er sich in den Wanten der Pequod.
Sein Gewicht zog die Bestie nach unten und ließ sie gegen die Baumwipfel prallen.
Ein Pfeil traf den Tentakel, der geradewegs über seinem Kopf hing.
Die Bestie war dazu übergegangen, die Tentakel herumzudrehen und auf ihn zu schießen, traf sich jedoch statt dessen nur selbst.
Ismael löste seinen Griff, fiel fünf Fuß in die Tiefe und landete in einem Gewächs, das sich in einem Winkel von fünfundvierzig Grad aus dem Boden erhob. Das Gebüsch sank in sich zusammen, kehrte dann in seine Ausgangslage zurück, und Ismael fiel weiter.
Das Ungeheuer schnellte abrupt in die Höhe und begann schwankend nach einigen Pflanzen zu greifen und sich über sie hinwegzuziehen.
Ismael rollte so weit er konnte, rappelte sich auf und lief, bis ihm eine Kletterpflanzenwand den Weg versperr te. Er prallte dagegen, fiel, stand wieder auf und umrunde te sie.
Irgendwann blieb er stehen, um sich umzusehen.
Über den Pflanzenwipfeln breitete sich – wie eine Wolke – eine große Masse aus, die nach und nach ihre Form verlor, zusammenzuschrumpfen schien und dann in den Dschungel hinabfiel.
Ismael konnte die Unterseite des Shivaradu zwar nicht deutlich erkennen, sah aber deutlich, daß die einzelnen Tentakel sich nicht mehr bewegten.
Plötzlich schoß ein langer, torpedoförmiger Umriß mit gewaltigem Kopf und leuchtendweißen Zähnen im Mondlicht durch die Nacht und biß in einen der Auswüchse, die sich auf dem Rücken der zusammensackenden, pfannkuchenförmigen Kreatur befanden. Der Auswuchs explodierte.
Der Lufthai, der den Tod gerochen hatte, war schnell herangekommen.
Hinter dem ersten erschien nun ein zweiter und verankerte sich, indem er sich in die schlaffe Haut des zerstörten Auswuchses verbiß. Auch er ließ seine schwingenartigen Finnen rotieren, um den Druck des auf ihm lastenden Windes zu eliminieren.
Ismael fragte sich, ob das Gift, das den Shivaradu getötet hatte, stark genug war, um sich durch den Körper der Bestie zu verteilen und so auch den Lufthaien den Tod zu bescheren.
Aber er hatte keine Zeit, um der weiteren Entwicklung der Lage zuzuschauen. Als er hinter sich ein Geräusch hörte, wandte er sich rasch
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