Ivanhoe
die Angeklagte,« sagte der Großmeister. »Geh Herold, und frage sie, ob sie einen erwartet.«
Der Herold ging zu ihr hin und trotz dem Winke Malvoisins wandte auch Bois-Guilbert sein Roß herum und kam zugleich mit dem Herold bei Rebekka an.
Der Herold wandte sich mit folgenden Worten an Rebekka: »Mädchen, der hochwürdige Großmeister läßt dich fragen, ob du einen Kämpfer hast, der heute für dich streiten wird, oder ob du das über dich gefällte Urteil als gerecht anerkennst?«
»Antworte dem Großmeister,« erwiderte Rebekka, »daß ich meine Unschuld behaupte und mich nicht für zu Recht verurteilt bekenne. Sage ihm, daß ich Aufschub begehre, wie er gesetzlich statthaft ist, damit ich sehen kann, ob mir Gott in der höchsten Not Rettung schickt. Wenn dann auch diese letzte Frist verstreicht, ohne daß Hilfe kommt, so möge sein Wille geschehen.«
»Gott verhüte,« rief Lukas Beaumanoir, »daß uns Jude oder Heide der Ungerechtigkeit sollten zeihen können! Bis die Schatten von Westen nach Osten reichen, wollen wir warten, ob sich ein Streiter für dieses unglückliche Weib stellt. Ist der Tag soweit zur Rüste gegangen, so mag sie sich zum Tode bereiten.«
Der Herold überbrachte Rebekka diesen Bescheid des Ordensmeisters. Sie neigte in Demut das Haupt, faltete die Hände und blickte zum Himmel, von ihm eine Hilfe erhoffend, die fast von Menschen nicht mehr zu erwarten war. Während dieser furchtbaren Pause vernahm sie die Stimme Bois-Guilberts, es war nur ein Flüstern, aber doch erschrak sie darüber mehr als über die laute Anrede des Herolds. »Rebekka,« sagte der Templer, »hörst du mich?«
»Ich habe nichts mit Euch zu schaffen, grausamer, hartherziger Mensch.«
»Verstehst du, was ich sage? Denn mir selber klingt der Ton meiner Stimme furchtbar im Ohr. Kaum weiß ich, wo wir uns befinden und was wir hier sollen. – Diese Schranken? dieser Stuhl? dieser Haufen von Reisig? Ich weiß wohl, wozu sie da sind, und doch ist mir, als wäre das alles nicht wirklich, sondern nur ein entsetzliches Trugbild.«
»Mein Sinn und mein Gemüt sind sich des Ortes und der Zeit bewußt,« erwiderte Rebekka. »Ich weiß, dieser Holzstoß ist da, meinen Leib zu verzehren und mir einen schmerzhaften aber kurzen Übergang in eine bessere Welt zu bereiten.«
»Träume, Rebekka, Träume! Höre mich,« fuhr er feurig fort, »eine bessere Gelegenheit, dir das Leben und die Freiheit zu erhalten, als sich diese Schurken und der Schwachkopf dort denken, bietet sich dar. Steige hinter mir aufs Pferd, und in einer Stunde sind wir jeder Verfolgung entrückt. Eine neue Welt der Freude öffnet sich dir, mir eine neue Laufbahn des Ruhmes. Dann mögen sie ein Urteil fällen, dann mögen sie den Namen Bois-Guilbert aus ihrer Liste mönchischer Schufte streichen, jeden Fleck, den sie meinem Wappenschilde anhängen können, will ich mit Blut abwaschen!
»Versucher!« sprach Rebekka, »hebe dich hinweg von mir! Du sollst mich in dieser letzten Not nicht um eines Haares Breite nachgeben sehen. Feinde sind rings um mich her, dich aber halte ich für den schlimmsten und schrecklichsten. Im Namen Gottes, hebe dich weg von mir!«
Albert Malvoisin, ungeduldig und unruhig über die lange Dauer dieser Unterredung, kam heran, um sie zu unterbrechen.
»Hat das Mädchen ihre Schuld bekannt,« fragte er laut den Kämpfer, »oder besteht sie auf ihrem Leugnen?«
»Sie ist zum Tod entschlossen,« sagte Bois-Guilbert.
»Dann mußt du, edler Bruder, deinen Platz wieder einnehmen, um den Ausgang zu erwarten!« rief Malvoisin. »Die Schatten wechseln auf dem Sonnenzeiger. Komm, tapfrer Bois-Guilbert, komm, du Hoffnung unsers heiligen Ordens und bald sein Haupt.« Als er dies in einem besänftigten Tone sprach, legte er die Hand auf die Zügel des Ritters, als wolle er ihn nach seinem Platze zurückführen.
»Was willst du mit der Hand an meinem Zügel?« sagte Sir Brian zornig, und die Hand seines Gefährten zurückstoßend, ritt er nach dem obern Ende der Schranken.
»Es ist noch Wut in ihm,« sagte Malvoisin zu Mont-Fitchet, »wäre er nur gut geleitet, aber gleich dem griechischen Feuer verbrennt er alles, was ihm nahe kommt.«
Die Richter warteten zwei Stunden in den Schranken vergebens auf einen Kämpfer.
»Ich weiß wohl, warum keiner kommt,« sprach Bruder Tuck, »weil sie eine Jüdin ist; aber bei meinem Orden, es ist doch hart, daß ein so junges und schönes Geschöpf sterben soll, ohne daß ein Schlag darum geschieht.
Weitere Kostenlose Bücher