Ivanhoe
ausgeübt.«
»Du bist 'ne ehrliche Haut,« erwiderte der Räuber; »wir verehren den heiligen Nikolaus nicht so genau, und ich versichere dich, deine dreißig Dukaten werden dir bleiben, wenn du aufrichtig gegen uns bist. Einstweilen aber gib uns dein anvertrautes Gut in Verwahrsam.« Dies sagend, nahm er von Gurths Brust die breite lederne Tasche, darin der Beutel von Rebekka mit den übrigen Dukaten eingeschlossen war; dann fuhr er fort zu fragen:
»Wer ist dein Herr?«
»Der enterbte Ritter,« sagte Gurth.
»Dessen gute Lanze den Preis im letzten Turnier gewann? Wie ist sein Name und sein Stammbaum?«
»Das soll verborgen bleiben,« antwortete Gurth, »und von mir soll es wahrlich niemand erfahren.«
»Was ist dein eigener Name und deine Herkunft?«
»Wenn ich Euch das sagte,« erwiderte Gurth, »so würdet Ihr das Geheimnis meines Herrn erraten.«
»Du bist ein frecher Bursche,« sagte der Räuber; »doch davon nachher. Wie kommt dein Herr zu dem Gelde, hat er es ererbt oder sonst wo erworben?«
»Durch seine gute Lanze,« erwiderte Gurth. »Diese Beutel enthalten das Lösegeld für vier gute Pferde und vier gute Rüstungen.«
»Wieviel ist drin?« fragte der Räuber.
»Zweihundert Dukaten.«
»Nur zweihundert Dukaten?« fragte der Bandit. »Euer Herr ist freigebig mit Überwundenen umgegangen und hat ihnen ein geringes Lösegeld auferlegt. Wer hat das Geld bezahlt?«
Gurth nannte die Namen der besiegten Ritter.
»Was galten die Rüstung und die Pferde des Templers Brian de Vois-Guilbert an Lösegeld? Du siehst, betrügen kannst du mich nicht!«
»Mein Herr will vom Templer nichts haben als sein Herzblut,« erwiderte Gurth. »Sie haben sich auf den Tod herausgefordert und können in Güte kein Geschäft zusammen machen.«
»Wahrhaftig!« sagte der Räuber und schwieg eine Weile. »Und was tatest du zu Ashby mit einer solchen Summe?«
»Ich bezahlte den Isaak,« sagte der Sachse, »achtzig Dukaten – und er gab mir hundert dafür wieder.«
»Wie? Was?« riefen alle Räuber auf einmal, »darfst du uns zum besten haben, daß du solche unverschämte Lügen hervorbringst?«
»Was ich euch sage,« erwiderte Gurth, »ist so wahr, wie der Mond am Himmel steht. Ihr werdet die richtige Summe in einem seidenen Beutel finden, von dem übrigen Gold geschieden.«
»Besinne dich, Mann!« sagte der Kapitän, »du sprichst von einem Juden, von einem Israeliten, der so wenig Geld wiedergeben kann, als der trockene Sand der Wüste einen Becher Wasser, den der Wanderer drauf ausgießt.«
»In ihnen ist nicht mehr Barmherzigkeit,« sagte ein anderer Bandit, »als in einem unbestochenen Sheriff.«
»Es ist demungeachtet, wie ich euch sage,« erwiderte Gurth.
»Wacht gleich Licht an,« sagte der Hauptmann. »Ich will den Beutel untersuchen, und wenn es so ist, wie der Bursche behauptet, so ist dieses Juden Milde nicht viel weniger wunderbar als der Strom, der seine Väter in der Wüste tränkte.«
Es wurde Licht gebracht, und der Räuber fuhr fort, den Beutel zu untersuchen. Die andern drängten sich um ihn her, und zwei, die erst Gurth festhielten, ließen ihn los, weil sie ihre Hälse ausstreckten, um den Ausgang der Untersuchung mit anzusehen. Gurth machte sich durch schnelle Kraftanstrengung völlig von ihnen los und hätte sich davon machen können, wenn er seines Herrn Eigentum im Stich lassen wollte. Doch dies war keineswegs sein Wille. Er riß einem der Burschen seinen Knüttel weg, schlug den Hauptmann nieder, der sich dessen nicht versah, und hätte sich beinahe des Beutels und des Schatzes wieder bemächtigt, aber die Diebe waren auch sehr flink und wurden bald wieder Meister des Beutels und des treuen Gurth.
»Schelm,« sagte der Hauptmann aufstehend, »du hast mir den Kopf zerbeult, und mit andern Männern unsers Schlags würde deine Unverschämtheit schlecht ankommen. Allein du sollst gleich dein Schicksal wissen. – Erst laß uns von deinem Herrn reden, des Ritters Sache geht vor der des Knappen her, so will es die Ritterlichkeit. Steh still – wenn du dich regst, so machen wir dich für dein Lebelang ruhig. – Kameraden!« sagte er dann, zu seiner Bande gewandt, »dieser Beutel ist mit hebräischen Buchstaben gestickt, und wohl glaube ich, daß der Yeoman nicht lügt! Der irrende Ritter, sein Herr, muß bei uns ungeplündert frei ausgehen. Er ist uns zu ähnlich, um Beute von ihm zu nehmen, weil Hunde nicht Hunde beißen sollen, solange noch Wölfe und Füchse im Überfluß vorhanden
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